Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Rudolf Scheller wird mit der Fertigsuppe zunächst zum Marktführer
Thüringer Tüftler und ihre Erfindungen
Hildburghausen. Euphorische Gründungsjahre nach 1871 im Deutschen Reich: Zahllose Unternehmensgründer wagen den Sprung mit neuen Produkten auf den Markt. So auch Rudolf Scheller aus Hildburghausen, der als Erfinder der Fertigsuppen gilt. Doch heute ist sein Name kaum noch ein Begriff. Daran haben auch Maggi und Knorr einen Anteil.
Rudolf Scheller wird 1822 in Hildburghausen geboren. Er arbeitet zunächst als Apotheker und produziert ab 1860 Meerschaumwaren, wie Zigarettenspitzen und Pfeifenköpfe.
Mit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 sei Scheller auf die Idee gekommen, die Armee besser zu versorgen, erklärt Olaf Jaenicke, Leiter des Stadtmuseums Hildburghausen.
Die Truppenversorgung sollte vielfältiger, der Proviant haltbarer werden. Umgehend geht der Tüftler Scheller damals ans Werk, experimentiert und kann 1871 dem deutschen Kriegsministerium eine ganze Produktpalette vorstellen. Es waren konzentrierte Gemüseextrakte, wie es sie heute noch zum Beispiel als Maggi-Würfel zu kaufen gibt.
Grieß-, Graupen-, Erbsen-, Linsenoder Bohnensuppe – die Liste der angebotenen kondensierten Scheller-Suppen ist lang. In praktikabler Würfel- oder Tafelform werden sie angeboten.
Manche so groß wie eine Schokoladentafel, andere reichen für zehn Liter Gemüsegenuss. Hauptsache: haltbar und handlich. Produktvielfalt und Haltbarkeit seien die Neuerung gewesen, erklärt Jaenicke: „Die Haltbarkeit betrug mindestens ein Jahr.“
Scheller wird deutschlandweit zum Marktführer. Nicht nur in Deutschland, sondern bis nach Österreich, Frankreich oder England liefert er seine Produkte. Abnehmer der Scheller-Suppen sind vor allem das Militär, aber auch Forschungsreisende.
So soll der erste Besteiger des Kilimandscharo, Hans Meyer, die Fertigsuppen im Gepäck gehabt haben, sagt Jaenicke: „Es gibt sogar Empfehlungsschreiben von Hans Meyer, in denen dieser beschreibt, wie gut er mit den Scheller-Suppen durch Afrika gekommen ist.“
Doch der Erfolgskurs der Fertigsuppe aus Südthüringen hält nur wenige Jahrzehnte an. Die Konkurrenz wird ab den 1880er-Jahren durch die Firmen Maggi und Knorr größer.
Beide Unternehmen aus Süddeutschland hätten mehr Kapital und einen besseren Vertrieb gehabt. Rudolf Scheller hingegen habe nur auf Bestellung im Direktvertrieb verkauft: „Es waren keine Großmengen, die bestellt wurden.“
Maggi- und Knorrprodukte seien durch ihr breites Vertriebsnetz überall erhältlich gewesen, wurden durch Werbung bekannt und betrieben damals eine im heutigen Verständnis erfolgreiche Lobbyarbeit.
Schließlich kommt es zu Rechtsstreitigkeiten zwischen Scheller, Maggi und Knorr. „Sie bezichtigten sich gegenseitig der Produktpiraterie“, erklärt Jaenicke.
Der endgültige Niedergang beginnt schon Ende des 19. Jahrhunderts. Rudolf Scheller senior resigniert schließlich, versucht noch, seine Erfindung eines Schwimmlernapparates zu vermarkten und stirbt im Jahr 1900. Rudolf Scheller junior übernimmt das Familiengeschäft im Jahr 1895. Doch den Niedergang kann dieser nicht mehr aufhalten.
Die Scheller-Suppen können kaum von Bestellungen im Ersten und Zweiten Weltkrieg profitieren. Die Ressourcenknappheit am Ende des Zweiten Weltkrieges gibt der Firma schließlich den Rest. Bis 1947 werden nur noch Restbestände verkauft: „Bei Scheller wurden im Krieg keine Massen mehr bestellt, weil er zu unbedeutend geworden war.“
Obwohl Wegbereiter auf seinem Gebiet, sind Rudolf Scheller und seine Scheller-Suppen heute fast ganz vergessen, sagt Jaenicke: „Die Suppenfabrikation von Scheller ist kaum in die Industriegeschichte eingegangen.“