Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Die Rückkehr des Königs
Marcel Hirscher kommt wieder in den Skisport – und startet für die Niederlande
Marco Mader
München/Wien. Felix Neureuther ist begeistert, regelrecht elektrisiert. Die Comeback-Ankündigung seines alten Rivalen und Freundes Marcel Hirscher hat beim einstigen deutschen Slalom-Star sofort eigene Pläne reifen lassen. Auch er werde jetzt zurückkehren, sagte Neureuther , „als jamaikanischer Abfahrer“– ein Scherz, natürlich.
Ganz anders als Hirschers Ankündigung, künftig für die Niederlande zu fahren, die nicht nur Neureuther verzückt hat. „Sensatie in de skiwereld“, schrieb das Algemeen Dagblad, De Telegraaf sieht eine „Sensatie in de maak“. Die Krone in Hirschers eigentlicher Heimat Österreich jubelte über das „WunderComeback“, der Kurier meinte: „Ist der 1. April um einige Wochen nach hinten gewandert?“
Mitnichten. Hirscher, achtmaliger Gewinner des Gesamtweltcups und erfolgreichster WM-Teilnehmer der Ski-Geschichte, wird im kommenden Winter für die Heimat seiner Mutter Sylvia fahren. Der Österreichische Skiverband bestätigte den Nationenwechsel, Neureuther erfuhr von Hirschers Vorhaben persönlich am Telefon. „Ich habe mich wahnsinnig gefreut, das ist überragend für den Skisport. Wir brauchen dringend solche Geschichten und Charaktere“, sagte er. Obwohl es seit Hirscher Abschied 2019 immer wieder Spekulationen gegeben hatte, kam die Rückkehr des Königs für ARD-Experte Neureuther wie für viele andere „sehr überraschend“. Denn: „Das zu wagen, ist mutig.“Schließlich, so formuliert es der Kurier, sei Hirscher „als Niederländer ein Niemand“. Das bedeutet: Er muss im Sommer in Neuseeland erst die nötigen FIS-Punkte einfahren, um überhaupt wieder im Weltcup starten und an sein Fernziel, die Heim-WM in Saalbach 2025, denken zu können.
„Es ist schon ein Weg“, sagte Neureuther: „Ich glaube – und das sieht er auch so –, dass man die Erwartungshaltung nach unten schrauben muss, das braucht Zeit. Aber wenn einer überraschen kann, dann definitiv er.“Zumal Hirscher nichts dem Zufall überlässt. Das
Training wird der renommierte Coach Patrick Riml (ehemals ÖSV und US-Skiverband) leiten, Hirschers erster Manager Michael Holzer ist ebenso dabei wie Servicelegende Edi Unterberger und wohl auch Vater Ferdinand. Außerdem steht hinter Hirscher seit September 2021 eine eigene Skimarke („Van Deer“), auf der sein früherer Konkurrent Henrik Kristoffersen im Weltcup reüssiert.
Bei der Materialentwicklung sei Hirscher deshalb „sowieso im Thema drin“, sagte Neureuther, und körperlich sei der frühere Modellathlet auch mit 35 Jahren „in extrem guter Verfassung“. Der Verbandswechsel zu einer Nation, die noch nie eine alpine WM-Medaille gewann, gebe ihm außerdem eine gewisse Freiheit – für Hirscher seit seinem Abschied das höchste Gut. Er fühle sich „nicht mehr als österreichisches Staatseigentum“, wie zu seiner Zeit als Ikone einer Skination, sagte er gerade erst der Krone, stattdessen fühle er „mehr Wertschätzung der Menschen“.
Die Verantwortlichen in Österreich beteuern, sie hätten Hirscher liebend gern in den eigenen Farben gesehen. „Aber Angst, dass uns jetzt die Niederländer links und rechts um die Ohren fahren“, sagte ÖSVGeneralsekretär Christian Scherer, „habe ich nicht“. sid