Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Thüringer Zulieferer warnen vor massiven Jobverlusten
Branchenverband beklagt existenzgefährdenden Kostendruck durch Autokonzerne. Forderung nach Schlichtungsstelle und neuem Kartellrecht
Hörselberg. In Thüringens umsatzstärkster Branche droht ein massiver Stellenabbau.
Die Auseinandersetzung zwischen dem Volkswagenkonzern und zwei sächsischen Zulieferern sei nur die Spitze eines Eisberges, warnte der Chef des Branchenverbandes „Automotive Thüringen“, Michael Militzer, gestern in Hörselberg.
Für die Zulieferindustrie sei der Druck der Autokonzerne auf immer weiter sinkende Preise mittlerweile existenzgefährdend. „Die Unternehmen sind nicht mehr in der Lage, die nötigen Gewinne zu erwirtschaften“, sagte Militzer. Von den Erwartungen der Gewerkschaften nach weiteren Lohnsteigerungen gar nicht zu reden, forderte der Verbandschef eine Initiative gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern. „Wir werden die Gewerkschaften in die Pflicht nehmen“, kündigte Militzer an.
Er kritisierte Vertragsbedingungen, die das Marktrisiko der Autokonzerne auf die Zulieferer übertragen. Die Sitten in der Branche seien verroht und erpresserisch geworden.
Vor allem kleine Zulieferer müssten sich auf geschlossene Verträge und deren Einhaltung verlassen können Doch dies sei zunehmend nicht mehr der Fall, beklagte auch der Vizechef des Verbandes, Mathias Hasecke. Er kann nicht nachvollziehen, dass die Autokonzerne von den Zulieferern erwarten, dass sie die Preise für das Jahr 2018 vorhersagen könnten. „Vor allem aber steht in den Verträgen, dass der Autohersteller sich vorbehält, die Stückzahlen jederzeit verändern zu können“, so Hasecke. Das lasse keine vernünftige Planung zu und mache Investitionen immer zum Risiko.
Die uralte Regel, dass Verträge einzuhalten sind, habe längst ihre Gültigkeit verloren, bemängelte auch Michael Militzer. Er plädierte für die Einrichtung einer paritätisch besetzten Schiedsstelle, die bei Streitigkeiten zwischen den Autokonzernen und den Zulieferern vermittelnd eingreife.
„Ich vermisse auch eine deutlich vernehmbare Stimme der Politik in diesem Konflikt“, sagte Militzer. Die müsse alarmschlagen, wenn sich die Automobilkonzerne jeglicher volkswirtschaftlicher Verantwortung für den Standort Deutschland entledigten.
Gerichtliche Auseinandersetzungen seien ebenso ein Irrweg wie ein Lieferstopp, ist Militzer überzeugt. Neben der Schlichtungsstelle – oder einem Ombudsmann – müsse es ein Novellierung des Kartellrechtes geben. Schließlich setzten inzwischen weltweit alle Autokonzerne ähnliche Vertragsbedingungen durch, so Militzer.
Thüringen müsse sich darauf vorbereiten, dass Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie wegfallen. Neben dem Ruin von Firmen durch den Preisdruck bedrohe der Trend zum Elektroauto die Branche. Dafür benötige man kaum noch Teile.