Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Der Baum als Trainingsp­artner

Viele Menschen entdecken Wald und Wiese wieder als sportliche­s Betätigung­sfeld – und großen Spielplatz

- Von Jonas-erik Schmidt

Köln. Wer „Tarzan“mag, dürfte Giulio Hesse lieben. Ohne zu wackeln schwingt er sich auf einen dicken Baumast und klettert auf allen vieren voran, Fuß vor Fuß, Hand vor Hand. Es ist ein Sommeraben­d am Stadtwald von Köln. Im Schatten der Bäume ist es angenehm kühl, dennoch gerät man ins Schwitzen. Denn Hesse will, dass man es ihm nachtut. „Ihr müsst mit den Füßen fühlen“, erläutert er die Motorik-übung.

Hesse ist einer der beiden Trainer der „Natural Athletes“, einer Trainingsg­ruppe, die im Mai gegründet wurde. Das Konzept: Raus aus dem Fitnessstu­dio und ab auf die Wiese und in den Wald. Hesse und sein Kollege Norwin Stuffer haben das Trainingsp­rogramm entwickelt. Es kommt mit dem Nötigsten an Trainingsg­erät aus. Ein Seil ist gespannt, ein anderes hängt wie eine Liane von einem Baum. Ansonsten wird das genutzt, was der Wald zu bieten hat: Bäume, Äste, Wurzeln.

Die Kölner lassen sich in ein Phänomen einreihen, das seit einiger Zeit zu beobachten ist: Draußen-sport ist wieder angesagt, nicht nur die Klassiker wie Wandern. Vielerorts bilden sich kleine, neue Trainingsg­ruppen die „Natural Athletes“sind bei weitem nicht die einzigen. Selbst von einer „Renaissanc­e“des Trimm-dich-pfads – vielerorts stummer Zeuge der 70er-jahre ist zu lesen.

Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochs­chule beschreibt eine ambivalent­e Entwicklun­g. Es gebe weiterhin einen großen Zulauf zu den Fitnessstu­dios – also nach innen. „Auf der anderen Seite gibt es Trends, die nach draußen gelagert sind.“Das habe mitunter ganz einfache Gründe: Draußen ist die Trainingsf­läche kostenlos. Der Sport-professor kann verstehen, warum Schwitzen unter freiem Himmel Leute anspricht: „Das Bewegen in der freien Natur ist von der ganzen Sensorik her ein viel intensiver­es Erlebnis“. Zudem erinnere es an das Spielen im Wald – und damit an Kindheit. Auch die Fitness-branche habe bemerkt, dass sie auf derartige Trends reagieren müsse. „Früher war der Jogger der Feind des Fitnessstu­dios“, sagt er. Heute bieten viele Studios selbst Laufgruppe­n an. Auch Michael Branke, Pädagogisc­her Leiter bei der deutschen Fitnessleh­rer Vereinigun­g (DFLV), sagt, dass er in den vergangene­n Jahre wieder eine Tendenz zum Draußen-sport beobachtet habe.

Die beiden Kölner Studenten Norwin Stuffer und Giulio Hesse sprechen oft von kindlicher Neugier, wenn sie ihr Konzept beschreibe­n.

Das Aha-erlebnis tritt im Kölner Wald ein, wenn man erstmals versucht, auf allen vieren auf einem am Boden liegenden Baumstamm zu balanciere­n – verdammt schwierig. Wenig später soll man sich an dem gespannten Seil über einen imaginären Fluss hangeln. Sieht bei „Indiana Jones“ziemlich locker aus, ist es aber nicht.

Eine Winter-pause geplant. ist nicht dpa

Bewegung im Freien ist intensiver­es Erlebnis

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Luke balanciert beim Training der „Natural Athletes“in einem Waldstück in Köln über Äste. Foto: dpa

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