Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Dem Erdboden gleichgemacht
Eine Leserin erinnert sich an die aufregenden Jahre, in denen große Betriebe abgewickelt worden sind. Jenseits aller Machenschaften, so berichtet sie, sammelte sie auch positive Erfahrungen
Voller Interesse habe ich den Artikel gelesen, dass die Ostbeauftragte der Bundesregierung die Tätigkeit der Treuhand untersuchen lassen will. Wobei sich ja die Begriffe „Treuhand“und „Abwicklungsbehörde“gegenseitig ausschließen.
Ich halte diese Absicht zwar für spät, aber trotzdem für äußerst notwendig. Es wäre gut, wenn Iris Gleicke es sich zur Aufgabe macht, die „Machenschaften“(mein Begriff) der „Behörde“untersuchen zu lassen.
Als mein damaliger Werkdirektor 1990 mir offenbarte, er brauche nun keinen Justiziar mehr, sondern dringlichst einen Steuerberater, und mich so in den Vorruhestand schickte, nahm ich ihm das nicht krumm, wusste ich doch, dass er nun die Rückübertrag seines Betriebes in sein Eigentum betreiben wollte. Obwohl ich gern noch einige Jahre berufstätig gewesen wäre, musste ich mich in mein Schicksal fügen.
Und nun ging es Schlag auf Schlag. Die drei größten Betriebe in Ruhla – das Uhren- und Maschinen-kombinat, das Kombinat Fahrzeugelektrik, der VEB Elektroinstallation –, die annähernd 20 000 Menschen Lohn und Brot fast auf Lebenszeit gegeben hatten, Jugendlichen Lehrstellen, Kindern Kindergärten und –krippen, Schulkindern Ferienlager, Urlaubern Urlaubsplätze und, und, und, sie alle wurden binnen kürzester Zeit dem Erdboden gleich gemacht. Wie viele Werte so vernichtet wurden, ist niemals wiedergutzumachen, und sei unverzeihlicher Raub an allen Menschen. Doch ich, mit meinem Gerechtigkeitssinn, wollte da nicht zusehen. Ich wollte es nicht zulassen, dass auch noch fünf kleinere Betriebe, die ich aus meiner Arbeit als Justiziar kannte, der Treuhand ausgeliefert würden.
Ich gründete eine Einmannfirma, gab mir den Firmennamen „correkt“, beschrieb in meiner Konzeption mein Vorhaben und meine Ziele, und wie ich diese und mit welchen finanziellen Mitteln absichern wollte.
Damit begab ich mich nach Erfurt zur „Behörde“. Die bestand – zu der Zeit – aus einem Zimmer, einem Schreibtisch mit Schreibtischlampe und einer Schreibmaschine, einem Stuhl, einem kleinen Schrank und einem Mann, dem Rentenalter zugeneigt.
Nach meinen Wünschen befragt, legte ich ihm mein Konzept vor. Ich musste noch nicht einmal meinen Personalausweis zeigen. Er fragte mich, wie viel Gehalt ich für meine Tätigkeit haben wollte. Ich nannte ihm meine viel zu bescheidene Forderung, er nickte, und wir schlossen einen Vertrag.
Aus dem ging unter anderen hervor, dass ich die Rückübertragung dieser fünf Betriebe mit Plus/minus null abschließen würde. Damit war ich Firmeninhaber und zum ersten Mal in meinem Leben selbstständig. Meine Ziele erreichte ich binnen zwei Jahren.
Mein Mann mit unserem Trabi war mein Gehilfe.
Christa Schreiber, Ruhla
Ich durfte frei bestimmen, wie viel Gehalt ich erhalte