Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Ein Erinnerungsort für die Weimarer Republik
2019 jährt sich die Konstituierung der Nationalversammlung im Weimarer Nationaltheater und mit ihr die Gründung der Weimarer Republik zum 100. Mal. Bis dahin will der Verein „Weimarer Republik e. V.“die Geschichte dieser ersten deutschen Demokratie vom al
Sie sind ein kleiner Verein von etwa 40 Mitgliedern. Ein Vereinsleben, wie man es kennt, mit geselligen Runden gibt es nicht. Man trifft sich zweimal im Jahr zu Mitgliederversammlungen und arbeitet ansonsten projektorientiert. Allerdings könnte die Aufgabe, die sich die Weimarer auf die Schultern geladen haben, kaum größer sein.
Es geht dabei um nicht weniger als die Geburt und die Existenz der ersten funktionierenden Demokratie in Deutschland – die Weimarer Republik. 2019 jährt sich ihre außergewöhnliche Gründung im Deutschen Nationaltheater der Klassikerstadt zum 100. Mal.
Als sich der Verein „Weimarer Republik“2013 zusammenfand, sei der nahende Jahrestag allerdings kaum im öffentlichen Bewusstsein gewesen. „Mit Blick auf 2019 redete man viel vom Bauhaus, aber nur wenig von der Weimarer Nationalversammlung und der ihr folgenden Republik. Das wollten wir ändern“, sagt Vereins-geschäftsführer Stephan Zänker.
Mit ersten wichtigen Erfolgen. Man hat Experten zusammengebracht und Bürgerforen veranstaltet. Mittlerweile renne man allenthalben offene Türen ein. Das Bundesjustizministerium unterstützt die Arbeit des Vereins mit jährlich 300 000 Euro. Für ein „Haus der Weimarer Republik“sagte der Bund drei Millionen Euro aus dem Förderprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“zu.
Mit dem Bundesarchiv veranstaltet man im Oktober einen gemeinsamen Workshop, bei dem die Digitalisierung von Akten der Weimarer Republik und das geplante Quellenportal „Weimar – Die erste deutsche Demokratie“präsentiert und zur Diskussion gestellt werden sollen.
Das Land Thüringen wiederum gibt seinerseits fast 300 000 Euro für eine wissenschaftliche Forschungsstelle zum Thema an der Universität Jena. Gerade erst mahnte auch Thüringens Kulturstaatsminister Benjamin-immanuel Hoff (Die Linke), die Erinnerung an die Reichsverfassung und die Gründe für die Wahl Weimars als Sitz der Nationalversammlung seien keine alleinige Angelegenheit Thüringens, sondern eine nationalstaatliche Aufgabe.
So bestätigend wie ermutigend all diese Signale auch sein mögen – für Stephan Zänker und seine Mitstreiter bedeuten sie auch eine riesige Herausforderung. Geld und gute Worte allein machen nämlich noch keinen würdigen Jahrestag.
Stichwort „Haus der Weimarer Republik“: Platz finden soll es in der Coudrayschen Wagenremise (Kulissenhaus) am Weimarer Theaterplatz – wo heute noch das Provisorium des Bauhaus-museums logiert. Allerdings will man dort kein reines Schaumuseum, in dem Exponate gezeigt werden. Entstehen soll vielmehr ein multimedialer Ort der Erinnerung an und der Auseinandersetzung mit Höhen und Tiefen der Republik, von der es auch heißt, sie sei als Demokratie an zu wenigen Demokraten gescheitert. Auch die universitäre Forschungsstelle soll hier perspektivisch unterkommen.
Was möglich ist, zeigt die Wanderausstellung, mit der der Verein seit einem reichlichen Jahr in Deutschland für sein Anliegen wirbt. Aktuell macht sie in Bremen Station.
Statt der vielerorts üblichen Roll-up-banner mit Text- und Bildtafeln laden vier Kuben dazu ein, sich buchstäblich in die gut zehnjährige Geschichte vom Aufstieg und Niedergang der Weimarer Demokratie hineinzubegeben. Hinter den Sehschlitzen verbergen sich mehr als ein Dutzend Medienstationen, die sowohl die Krisen, aber auch die Chancen des Aufbruchs multimedial erzählen.
Vor allem Letzteres ist den Vereinsmitgliedern wichtig. Geschäftsführer Zänker erhofft sich davon einen neuen Blick auf die zwanziger Jahre. „Die Weimarer Republik wird bislang vor allem aus der Perspektive ihres Scheiterns betrachtet. In der DDR galt sie als Ausgeburt der Verrats an der Novemberrevolution der Arbeiter und Matrosen. Und auch in der Bundesrepublik distanzierte man sich deutlich mit dem Hinweis, Bonn sei nicht Weimar“, so der gelernte Historiker.
Für Zänker und die Seinen war Weimar eben auch das Jahrzehnt der Goldenen Zwanziger, in denen sich Massenmedien etablierten und in der deutsche Kunst, Kultur und Literatur Weltgeltung erlangten. Geradezu pathetisch hatte der Intendant des Weimarer Theaters, Ernst Hardt, nach der Umbenennung 1919 des Hauses zum Deutschen Nationaltheater die geistige Anziehungskraft des Ortes als für jeden Deutschen sichtbares Licht beschworen.
Auch Wissenschaft und Technologie setzten zu neuen Höhenflügen an. So sei mit der Nationalversammlung die erste reguläre Passagierfluglinie der Welt verbunden gewesen.
Nicht zu vergessen die politischen und sozialen Errungenschaften dieser Zeit. Schon die Wahl zur Nationalversammlung setzt im November 1918 mit der Geburt des Wahlrechtes für Frauen Zeichen. Durch die Weimarer Verfassung werden Frauen dem Mann gesetzlich gleichgestellt. Der Achtstundenarbeitstag und die Arbeitslosenversicherung werden eingeführt, Arbeitsämter eingerichtet und die Gewerkschaften gesetzlich anerkannt.
Natürlich soll all das die Schattenseiten der Republik nicht verklären. „Wir wollen keinen Honig auf die Geschichte schmieren“, versichert Zänker. Dass in Weimar ein völkischer und antisemitischer Provinzschriftsteller wie Adolf Bartels gegen die Demokratie hetzen konnte, gehöre ebenso zur Weimarer Republik wie die Nazis, die die klassische Kulisse zunehmend vereinnahmten schließlich übernahmen.
Zwar fehlt es nicht an Büchern, einen wissenschaftlichen Lehrstuhl zur Geschichte der Weimarer Republik gibt es allerdings in Deutschland bisher nicht. Bei der wissenschaftlichen Forschungsstelle des Vereins, geleitet von den Vereinsvorsitzenden Professor Michael Dreyer und Andreas Braune von der Uni Jena, setzt man deshalb auch auf die Vernetzung möglichst vieler Akteure.
In dieser Woche beispielsweise stellen etwa 30 Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich in Weimar ihre Projekte zur Republik vor. Dabei reicht das Themenspektrum vom Selbstmord bis zum Pazifismus. und
Themenpalette von Selbstmord bis Pazifismus