Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
„Auf dem Boden des Grundgesetzes, aber nur mit einem Bein“
Als einen – mit Frontalangriff erzwungenen – Neuanfang beschreibt der Hamburger Philosoph Joachim Köhler die historische Leistung Martin Luthers. Die „Biografie eines Befreiten“nennt Köhler darum seine Sicht auf Luther. Das Buch, das diese Woche in Leipzig vorgestellt wurde, ist eine klassische Lebensbeschreibung, die allerdings Luthers Freiheitserfahrungen in denn Mittelpunkt rückt.
Schon auf der ersten Seite macht Joachim Köhler deutlich, wie problematisch die historische Persönlichkeit Martin Luther ist: „Da hat man einen Mann, der auf der ganzen Welt als großer Deutscher verehrt wird, aber sein eigenes Land hat zu viel an ihm auszusetzen, um ihn wirklich zu mögen. . . Nach heutigen Begriffen stand er zwar auf dem Boden des Grundgesetzes, aber nur mit einem Bein“. Köhler hingegen macht aus seiner Sympathie keinen Hehl: „Der Luther dieses Buches ist ein Luther mit Ausrufezeichen.“So beschreibt er den Eintritt ins Erfurter Augustinerkloster nach dem Blitzerlebnis in Stotternheim und dem Gelöbnis als eine Emanzipation vom autoritären Vater. Die derart gefundene Freiheit übersetzte Luther danach auf Glaubensfragen – gegenüber der weltlichen Herrschaft, zunächst aber gegenüber der repressiven Papstkirche. Der Thesenanschlag von Wittenberg sei kein Angriff auf den Ablasshandel gewesen, sondern „vor allem ein Anschlag auf die Kirche als gewinnbringendes Unternehmen“.
Erst recht wollte der Reformator kein System errichten und kein Religionsgründer sein: „Seine einzige Aufgabe erblickte er darin, die Menschen von der Decke ihrer Blindheit zu befreien und ihre Augen zu öffnen für Gottes liebende Gegenwart“.
Joachim Köhler: Luther! Biographie eines Befreiten. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, Seiten. , Euro.
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