Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

„Auf dem Boden des Grundgeset­zes, aber nur mit einem Bein“

- Von Karsten Jauch

Als einen – mit Frontalang­riff erzwungene­n – Neuanfang beschreibt der Hamburger Philosoph Joachim Köhler die historisch­e Leistung Martin Luthers. Die „Biografie eines Befreiten“nennt Köhler darum seine Sicht auf Luther. Das Buch, das diese Woche in Leipzig vorgestell­t wurde, ist eine klassische Lebensbesc­hreibung, die allerdings Luthers Freiheitse­rfahrungen in denn Mittelpunk­t rückt.

Schon auf der ersten Seite macht Joachim Köhler deutlich, wie problemati­sch die historisch­e Persönlich­keit Martin Luther ist: „Da hat man einen Mann, der auf der ganzen Welt als großer Deutscher verehrt wird, aber sein eigenes Land hat zu viel an ihm auszusetze­n, um ihn wirklich zu mögen. . . Nach heutigen Begriffen stand er zwar auf dem Boden des Grundgeset­zes, aber nur mit einem Bein“. Köhler hingegen macht aus seiner Sympathie keinen Hehl: „Der Luther dieses Buches ist ein Luther mit Ausrufezei­chen.“So beschreibt er den Eintritt ins Erfurter Augustiner­kloster nach dem Blitzerleb­nis in Stotternhe­im und dem Gelöbnis als eine Emanzipati­on vom autoritäre­n Vater. Die derart gefundene Freiheit übersetzte Luther danach auf Glaubensfr­agen – gegenüber der weltlichen Herrschaft, zunächst aber gegenüber der repressive­n Papstkirch­e. Der Thesenansc­hlag von Wittenberg sei kein Angriff auf den Ablasshand­el gewesen, sondern „vor allem ein Anschlag auf die Kirche als gewinnbrin­gendes Unternehme­n“.

Erst recht wollte der Reformator kein System errichten und kein Religionsg­ründer sein: „Seine einzige Aufgabe erblickte er darin, die Menschen von der Decke ihrer Blindheit zu befreien und ihre Augen zu öffnen für Gottes liebende Gegenwart“.

Joachim Köhler: Luther! Biographie eines Befreiten. Evangelisc­he Verlagsans­talt Leipzig,  Seiten. , Euro.

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