Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Eine Sonderausstellung im Freilichtmuseum zeigt, wie man mit Bastel- und Modellierbögen du
Es ist wie ein Schaufenster zur Welt. Der Blick schweift vom Empire State Building in New York über den Petersplatz in Rom zum Reichstagsgebäude in Berlin. Vom Sputnik im Weltall geht er mit Flugzeug und Zeppelin durch die Lüfte und weiter auf die Weltmeere zur Titanic.
Das hier sind aber nicht das Fernsehen oder das Internet – es ist die Welt der Bilder- und Ausschneidebögen, in der es offenbar nichts gibt, was es nicht gibt. Oder anders ausgedrückt: In der es alles gibt, was auch in der realen Welt zu finden ist.
„Das war schon immer Sinn und Zweck der bunten Welt aus Papier“, sagt Franziska Zschäck. Leiterin des Freilichtmuseums Hohenfelden. Mit den Szenarien aus Papier konnte man seiner Fantasie seit jeher freien Lauf lassen.
Gemeinsam mit dem Kranichfelder Sammler-ehepaar Renate und Otto Hahn sowie einigen anderen Leihgebern zeigt das Freilichtmuseum Hohenfelden im Obergeschoss des Pfarrhauses 300 dieser realitätsnahen bis fantasievollen Bögen. Eigens für die Sonderausstellung wurden gut 200 Vorlagen teilweise kopiert und von vielen Bastlerhänden aufgebaut.
Nicht, dass man nicht selbst schon mal einen Bastelbogen in den Händen gehalten hätte. Erinnerlich sind aus Ddr-zeiten die Puppenvorlagen – weibliche wie männliche – aus der „Frösi“, denen man diverse Anziehsachen bis hin zur Pionierkleidung samt blauem Halstuch umhängen konnte.
In der Hohenfeldener Ausstellung erfährt man, dass diese Ankleidepuppen frühe historische Vorbilder haben. Hinweise darauf finden sich schon bei Friedrich Justin Bertuch aus Weimar, der die Papierpuppen bereits Ende des 18. Jahrhunderts in seiner Zeitschrift „Journal des Luxus und der Moden“als Neuheit aus England anpries:
„Es ist eigentlich ein Kinderspiel für kleine Mädchen, aber dabei so artig und geschmackvoll, dass wohl auch Mütter und erwachsene Frauenzimmer gern damit spielen. Die Puppe ist eine auf starkes Carton-papier gezeichnete und ausgeschnittene junge weibliche Figur... Dazu gehören 6 vollständig geschmackvoll gemalte und ausgeschnittene Anzüge und Coeffüren...“
Laut Ausstellung waren die Ankleidepuppen wie auch die frühen volkstümlichen Bilderbögen, die seit dem Mittelalter als Holzschnitte und später als Kupferstiche Verbreitung fanden, Vorläufer immer komplexerer Modellbaubögen.
Bertuch selbst gilt als einer der Pioniere des Zweiges. Von 1792 bis 1830 erschien im Verlag seines Industrie-comptoirs das Bilderbuch der Kinder, eine Sammlung mit 1200 Kupferstichen und Erklärungen zu vielen Wissensgebieten. Das Kind, so der Weimarer Verleger, müsse damit umgehen können wie mit einem Spielzeug.
Für Knaben gab es in Augsburg bereits Mitte des 18. Jahrhunderts gedruckte Bogen mit Papiersoldaten zum Aufstellen.
Bei der Fülle und Vielfalt all dessen, was seit dem aus farbigem Karton gefalzt und gefaltet wurde, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Zu sehen sind ganze Städte, die vor Geschäftigkeit zu brummen scheinen. Auf Bauernhöfen tummeln sich Tiere aller Art.
Dabei war die Leidenschaft grenzüberschreitend. Ausgeschnitten und geklebt wurde in Ost wie West. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts steuern neben Ddr-verlagen auch die Tschechen vieles bei.
„Dabei versuchten die Verlage immer auch mit der Zeit und mit den technischen Entwicklungen Schritt zu halten“, sagt Museumsleiterin Zschäck. Eisenbahnen und Autos sollten den aktuellen Modellen entsprechen. Was in den 30ern der Zeppelin, waren zu Ddr-zeiten Sputnik und Zt-300-traktor.
Auch Fragwürdiges entstand. Die Ausstellung zeigt eine Szene aus dem Ersten Weltkrieg. Auch damit habe man früher gespielt, sagt Franziska Zschäck.
Die Ausstellung im Alten Pfarrhaus g ist täglich von bis Uhr (ab . November mittwochs bis sonntags bis Uhr) geöffnet. Eintritt: Euro (Erm. , Euro)
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