Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Berg im türkisfarb­enen Meer: Wanderung auf den Le Morne Brabant

Eine Tour auf die 556 Meter hohe Erhebung im Südwesten von Mauritius im Indischen Ozean bringt den Urlaubern die Geschichte des Inselstaat­es näher

- Von Lea Sibbel

Le Morne. Am Horizont gehen die verschiede­nen Blautöne ineinander über. Oben Hellblau, darunter Tiefblau, eine Schicht weißer Schaumkron­en, dann Türkis, Graublau: das Riff vor Le Morne Brabant. Der Berg im Südwesten von Mauritius ist ein Klotz. Er ragt aus der Halbinsel empor wie hingeworfe­n. Hinaufklet­tern bedeutet, den Inselstaat im Indischen Ozean so zu sehen wie auf den Postkarten.

Aufstieg. Ein Tor versperrt den Weg. Nico Queland und Zack Herbst schließen auf. Sie sind Tourguides von Yanature, eine der zwei Organisati­onen, die hier mit Urlaubern wandern dürfen. Denn das Gelände, auf dem der Berg steht, ist seit Jahrhunder­ten in Privatbesi­tz. „Selbst die Regierung muss um Erlaubnis fragen“, erklärt Queland. Nur eine kleine Ausnahme gibt es: Denn ab 300 Metern Höhe sei der Berg öffentlich, sagt Queland. Wer ihn anfliegt und auf dem Gipfel landet, braucht keine Erlaubnis der Besitzer. Den entspreche­nden Landeplatz für Helikopter gibt es.

So einfach wird es heute aber nicht. Klettern statt fliegen – so heißt die Devise. Der Wanderpfad schlängelt sich den Berg entlang. Sanft geht es bergauf. Ab und zu rutschen die Füße auf dem schwammige­n Untergrund aus, es hat geregnet. Urlaubspar­adies hin oder her: Regen ist auf Mauritius keine Seltenheit. Vor allem in den Wintermona­ten wechselt das Wetter hier gerne mal jede halbe Stunde.

Der erste Aussichtsp­unkt über die Lagune ist erreicht. Eine kleine Insel liegt darin, ein Sonnenstra­hl durch eine Lücke in den Wolken hebt sie aus dem türkisfarb­enen Wasser hervor. Bis auf 200 Meter steigt die Gruppe noch weiter gemeinsam auf den Le Morne hinauf. Dann aber hört der breitere Pfad auf, von nun an wird es schmaler – und vor allem steiler.

Seit dem Jahr 2008 Unesco-weltkultur­erbe

Wie steil, das zeigt der Blick hinauf. Der Berg ist 556 Meter hoch, oben wartet schroff abfallende­s Gestein bis zum Gipfel. Mit zusammenge­kniffenen Augen erscheinen kleine bunte Pünktchen kurz darunter: Eine andere Wandergrup­pe muss bereits früh am Morgen aufgebroch­en sein, sie steigt schon wieder hinab.

Bei diesem Anblick verlässt einige der Mut. Sie werden am zweiten Aussichtsp­unkt warten, der Rest der Gruppe beginnt mit dem schwierige­ren Teil des Aufstiegs. Und dann das: Regen setzt ein. Ausgerechn­et jetzt steht ein Abschnitt bevor, auf dem geklettert werden muss. Die Füße finden auf den nassen Felsen keinen Halt, die Hände klammern sich an kleine Vorsprünge. Von einer Sicherung keine Spur.

Dafür gibt es nach der Kletterpar­tie mit dem Berg im Rücken einen noch besseren Ausblick: rechts die Lagune, geradeaus die Hügelkette­n der Insel und links die kleine Île aux Bénitiers. Von hier ist es nun auch nicht mehr weit bis zum Gipfelkreu­z. Es hat eine besondere Bedeutung, die mit der wechselhaf­ten Geschichte von Mauritius zu tun hat.

Mauritius war ursprüngli­ch unbewohnt. Dann wurde die Insel im Indischen Ozean erst holländisc­he, dann französisc­he, später englische Kolonie – und schließlic­h unabhängig. Die Franzosen brachten Sklaven aus Afrika auf die Insel, die Engländer Arbeiter aus Indien. „Die Sklaven hatten sich hier versteckt“, erzählt Queland und deutet auf Le Morne Brabant.

Als im Jahr 1835 die Sklaverei abgeschaff­t wurde, kamen die Briten auf den Berg, um den Geflohenen die gute Nachricht zu überbringe­n. „Aber sie konnten nicht glauben, dass die Sklaverei tatsächlic­h abgeschaff­t worden war.“Also sprangen sie in den Tod, um der gefürchtet­en erneuten Gefangensc­haft zu entgehen.

So zumindest sieht es die Legende. Ganz sicher sei man sich nicht, wie es sich damals abgespielt habe, erzählt Queland. 2008 wurde der Berg in die Liste des Unesco-weltkultur­erbes aufgenomme­n. Für die Nachfahren der Sklaven sei das sehr wichtig, sagt er. Um an die Verstorben­en zu erinnern, sei das Kreuz aufgestell­t worden. Queland und Herbst sind selbst keine Nachfahren der Sklaven. Quelands Ahnen kamen aus Frankreich und Irland nach Mauritius, die von Herbst waren französisc­h und englisch – der Vater stammt aus Südafrika. Die beiden führen fast täglich Touristen hinauf auf den heiligen Berg. Mögen sie es noch? „Ja, jeden Tag“, sagt Queland.

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Der Berg Le Morne ist die markantest­e Erhebung von Mauritius. Foto: Mauritius Tourism Promotion Authority/bamba Sourang
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Nico Queland führt fast täglich Touristen auf den Le Morne.

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