Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
In Thüringen machen täglich vier kleine Lebensmittelläden dicht
Nur noch in jeder dritten Gemeinde ist ein Nahversorger zu Fuß erreichbar
Erfurt. In Thüringen gibt es immer weniger Nahversorgungsangebote im ländlichen Raum, vielerorts schließen im Freistaat wegen fehlender Wirtschaftlichkeit kleine Lebensmittelgeschäfte. Das hat das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft auf Anfrage bestätigt, ohne Zahlen nennen zu können, „weil das freie Gewerbe nicht gesondert erfasst wird.“
Laut Serviceagentur „Demografischer Wandel“verfügt Thüringen zwar über eine gute Ausstattung mit Verkaufsflächen, „diese ist jedoch überwiegend auf den hohen Anteil großflächigen Einzelhandels auf der grünen Wiese zurückzuführen.“Nach einer Untersuchung in Orten mit bis zu 1500 Einwohnern ist bundesweit nur noch in jeder dritten Gemeinde ein Nahversorger zu Fuß erreichbar. Im Unstrut-hainich-kreis trifft dies aber beispielsweise lediglich noch auf jeden fünften Ort zu.
Nachdem in Deutschland in den 70er Jahren 160 000 Lebensmittelgeschäfte existierten, ist nur noch ein Viertel davon übrig geblieben. Von den Läden mit einer Fläche bis zu rund 300 Quadratmetern hat lediglich die Hälfte überlebt. Auch in Thüringen sind vor allem kleinere Orte vom Schwund betroffen.
Eine Studie der Industrie-und Handelskammer (IHK) Erfurt hatte ermittelt, dass die Auswirkungen des demografischen Wandels deutlich spürbar sind. „Die meisten Gemeinden zählen inzwischen nicht mehr als 2000 Einwohner, wobei täglich durchschnittlich vier Betriebe des kleinflächigen Lebensmitteleinzelhandels schließen“, heißt es. Mangelnde Rentabilität, der Drang zu discountorientierten Märkten und ungeklärte Nachfolgeregelungen seien die wichtigsten Gründe dafür.
Die IHK hatte als Ergebnis der Studie ein ganzheitliches Konzept zur Sicherung der Nahversorgung im ländlichen Raum empfohlen. IHK-CHEF Gerald Grusser forderte von der Landesregierung, die Möglichkeiten und die Koordinierung von Fördermitteln zu prüfen. Romy Ziegler, Referentin Handel und Autorin der Studie, sieht eine Chance für kleine Land-läden letztlich nur in kundengerechten, marktkonformen und ganzheitlichen Konzepten. „In strategisch günstiger Lage müssen sich Nahversorgung und verschiedenste Dienstleistungen an einem Treffpunkt bündeln.“Ergänzend sollten mobile Services, wie Hol- und Bringdienste oder der Online-handel ausgebaut und mit dem Handel vor Ort verbunden werden.“
Die zuständige Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft, Birgit Keller (Die Linke), sagt, dass man bestrebt sei, die Lebensqualität „auch für Menschen auf dem Land sicherzustellen, obwohl es immer mehr in die größeren Städte zieht.“So gebe es Programme zur Dorferneuerung und -entwicklung. „Bislang wurden fast 1 900 Dörfer gefördert, zwischen 1991 und 2014 über 900 Millionen Euro von EU, Bund und Land investiert“, so die Ministerin. Ziel sei zudem „ein gut getakteter öffentlicher Nahverkehr“.
Die konkrete Frage der Thüringer Allgemeinen nach einem möglichen Konzept zur besseren Nahversorgung auf dem Land in Thüringen wurde von Keller allerdings nicht konkret beantwortet. ▶