Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Beitragspflicht für Altfälle bleibt
Rot-rot-grün sieht sich nur in der Lage, Grundeigentümer beim künftigen kommunalen Straßenausbau zu entlasten
Erfurt. Die Gelegenheit für Hohn und Spott ließ sich Wolfgang Fiedler (CDU) nicht entgehen. Beim Versuch, die Straßenausbaubeiträge neu zu regeln, habe sich die Linkskoalition „blamiert bis auf die Knochen“, stellt der langjährige Innenpolitiker der Unionsfraktion im Landtag fest.
Besonders dem Kommunalpolitiker der Linken, Frank Kuschel, wirft Fiedler vor, bei den Bürgerinitiativen gegen überhöhte Kommunalabgaben jahrelang Hoffnungen genährt zu haben, die sich nicht erfüllen ließen. Einen Gesetzentwurf der Landesregierung, der die leidige Rückwirkung von Beitragsbescheiden mit einer Stichtagsregelung beseitigen wollte, hätten die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen nun kleinlaut wieder kassiert. Das sei, sagt Fiedler, „ein hochnotpeinlicher Vorgang“. Der Vorgang ist mehr als das. Er zeigt erneut, dass es im Dreierbündnis knirscht und knackt. Frank Kuschel sagt, er sei nicht stolz auf die gefundene Kompromisslösung.
Aber angesichts dessen, dass es im Innenministerium erbitterten Widerstand gab und die SPD eigentlich gar nichts ändern wollte an der Gesetzeslage, sei
SPD wollte am liebsten gar nichts ändern
ein Fortschritt im Sinne der Beitragspflichtigen unverkennbar. „Hoffnungen auf Rückerstattung von Beiträgen waren allerdings vergeblich. Dieser Kritik muss ich mich stellen“, räumt der Linke-abgeordnete ein.
Der Fortschritt im Kompromiss sieht so aus: Wird die Änderung des Kommunalabgabengesetzes voraussichtlich im Mai beschlossen, können Gemeinden ihre beitragspflichtigen Grundstücksanlieger sofort in der Beitragshöhe entlasten. Sie müssen dann in Anliegerstraßen nicht mehr bis zu 75 Prozent der Baukosten auf die Grundeigentümer umlegen, sondern können bis auf 20 Prozent heruntergehen. Das dürfen aber nur Gemeinden, die finanziell leistungsfähig sind und in den vergangenen drei Jahren keine Bedarfszuweisungen vom Land erhalten haben. Gera zum Beispiel kann das gleich vergessen.
Die Möglichkeit, auf Straßenausbaubeiträge völlig zu verzichten, sollen solide wirtschaftende Gemeinden ab 2019 erhalten. Dann wird die Gebietsreform ohnehin neue Fakten geschaffen haben, so die Überlegung der Koalition.
Der gesetzliche Zwang zur Beitragserhebung für alle läuft damit aus. Unberührt bleibt die Pflicht der Kommunen, auch Zahlungsbescheide für Straßensanierungen zu verschicken, die schon 20 Jahre oder noch länger her sind.
„Das ist verfassungswidrig. Wir werden unseren Mitgliedern empfehlen, dagegen Widerspruch einzulegen und zu klagen“, sagt Wolfgang Kleindienst, Vorsitzender der Bürgerallianz gegen überhöhte Kommunalabgaben. Man werde auf kommunaler Ebene auch Bürgerbegehren dagegen prüfen.
Die Afd-landtagsfraktion legt diese Woche einen eigenen Gesetzentwurf zum Thema vor. Mit einer Vierjahresregel als Frist zur Beitragsfestsetzung, orientiert am Steuerrecht. Frank Kuschel sagt, die Idee ignoriere leider völlig die bisherige Rechtsprechung durch alle Instanzen. Und die Pflicht zur Vorab-information der Bürger bei Straßenausbau gebe es bereits.
Nur habe eine Nichtbeachtung durch die kommunale Verwaltung bisher keine Konsequenzen.