Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Mehr Unfälle, aber weniger Verkehrsto­te

60 000 Mal krachte es vergangene­s Jahr auf Thüringens Straßen. Immer öfter werden Einsatzfah­rzeuge blockiert. Innenminis­ter Poppenhäge­r will das härter bestrafen

- Von Fabian Klaus

Erfurt. Stockt der Verkehr auf der Autobahn oder einer mehrspurig­en Straße außerorts, dann ist das Bilden einer Rettungsga­sse Pflicht – wer dagegen verstößt, der kann belangt werden: 20 Euro Strafe sieht der Bußgeldkat­alog vor.

Thüringens Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) hält das für zu gering. Er fordert empfindlic­here Strafen für Rettungsga­ssensünder. „Aus meiner Sicht sollte dieser Betrag zwingend angehoben werden“, sagt Poppenhäge­r und verweist auf eine Beschlussl­age der Innenminis­terkonfere­nz vom Herbst, die das ebenfalls vorsieht.

Anlass für diesen Vorschlag waren nicht jüngste Fälle von blockierte­n Einsatzfah­rzeugen. Der Innenminis­ter hatte gestern auch die Aufgabe, die Verkehrsun­fallstatis­tik für das vergangene Jahr vorzustell­en.

Poppenhäge­r und Polizeiprä­sident Karl Uwe Brunnengrä­ber kommen mit zehn Minuten Verzug im Konferenzr­aum des Ministeriu­ms an. Das bietet sogleich eine Möglichkei­t, die Unfallzahl­en plastisch darzustell­en: In diesen zehn Minuten hat es irgendwo in Thüringen möglicherw­eise schon wieder gekracht.

2016 war das so: Alle neun Minuten mussten Polizeibea­mte irgendwo im Land einen Verkehrsun­fall aufnehmen. Die sogenannte Schadensuh­r haben die Statistike­r des Innenminis­teriums aufbereite­t. Nach einer Dreivierte­lstunde ein weiterer Blick darauf: Im vergangene­n Jahr wäre in dieser Zeit irgendwo eine Fahrerfluc­ht begangen worden – alle 41 Minuten.

Dennoch: Der Bewertung der Statistik durch Polizeiprä­sident Brunnengrä­ber fällt überwiegen­d positiv aus. Zwar ist die Zahl der Verkehrsun­fälle leicht um 776 angestiege­n ist. Insgesamt 56 958 Mal hat es auf Thüringens Straßen im vergangene­n Jahr gekracht. Aber: Es gab elf Todesopfer (104) weniger und auch die Zahl schwer verletzter Personen nach Unfällen ging ebenfalls zurück.

Fast schon traditione­ll zeigt die Statistik überhöhte beziehungs­weise nicht angepasste Geschwindi­gkeit als Hauptunfal­lursache an. „Es gilt für uns, diesem Schwerpunk­t deutlich entgegenzu­wirken“, sagt Brunnengrä­ber.

Dafür gibt es bei der Polizei nunmehr seit einem Jahr eine eigene Rahmenkonz­eption, die zunächst bis zum Jahr 2019 angelegt ist. Die sieht regelmäßig­e Schwerpunk­tverkehrsk­ontrollen mit Blick auf die Hauptunfal­lursachen vor – dazu gehört neben der Geschwindi­gkeit auch Alkoholkon­sum. Etwa jeder zehnte Unfall wurde durch betrunkene Fahrer verursacht. Und dabei geht die Thüringer Polizei bereits intensiv gegen Alkoholsün­der am Steuer vor.

Unfälle unter Alkohol sind leicht rückläufig

Brunnengrä­ber beschreibt es anders: Auf einen Verkehrsun­fall, der unter Alkoholein­wirkung verursacht wurde, kommen 3,6 Trunkenhei­tsfahrten, die von Polizeibea­mten entdeckt wurden und folgenlos geblieben sind. 2015 lag diese Zahl auf einem ähnlichen Niveau.

Ein Blick auf die Schadensuh­r zeigt hier die positive statistisc­he Entwicklun­g, allerdings kann noch nicht von einer Wende gesprochen werden: Während 2015 alle 21 Stunden ein Verkehrste­ilnehmer bei einem Alkoholunf­all verunglück­te war das im vergangene­n Jahr alle 23 Stunden der Fall – aber eben immer noch einmal am Tag.

Während die Beamten zwar immer noch zahlreiche Unfälle aufnehmen, die unter Alkoholein­fluss geschehen, aber es hier einen positiven Trend gibt, entwickelt sich die Statistik negativ beim Blick auf die Unfälle, die von Fahrern unter dem Einfluss von Drogen verursacht wurden. Zwar decken die Beamten immer noch zahlreiche folgenlose Drogenfahr­ten auf, allerdings steigt die absolute Zahl weiter an. 144 Drogenfahr­ten endeten 2016 mit einem Verkehrsun­fall – teils mit erhebliche­n Folgen: 23 Personen erlitten schwere Verletzung­en, eine Steigerung um mehr als 50 Prozent im Vergleich zu 2015.

Die Thüringer Polizei will mit ihren Maßnahmen auch in diesem Bereich im Jahr 2017 weiter präventiv wirken. Karl Uwe Brunnengrä­ber blickt vor allem auf die jungen Fahrer, bei denen Fahren unter Alkoholein­wirkung mit zu den Hauptunfal­lursachen gehört, wenngleich nicht angepasste Geschwindi­gkeit und das Nichteinha­lten des Sicherheit­sabstandes hier ganz vorn rangieren. Brunnengrä­ber macht deutlich, dass im Bereich Erziehung und Prävention vor allem die jungen Fahrer angesproch­en werden sollen. „Es geht uns darum, hier insbesonde­re durch Aufklärung die Risikobere­itschaft zu senken“, sagt der Polizeiprä­sident.

Auch die älteren Fahrer wird die Polizei weiter im Visier haben müssen. Denn auch sie haben wieder mehr Unfälle verursacht, als 2015.

Mehr als 10 000 Mal krachte es, wenn Verkehrste­ilnehmer über 65 Jahre beteiligt waren – mehr als 8000 dieser Unfälle haben die älteren Fahrer auch selbst verursacht. Auch hier lohnt ein Blick auf die Schadensuh­r: Alle sieben Stunden verunglück­te 2016, genau wie 2015, auf Thüringens Straßen ein Verkehrste­ilnehmer, der über 65 Jahre alt war.

Newspapers in German

Newspapers from Germany