Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Wie fair ist der freie Handel?
Präsident Trump sieht die USA benachteiligt und will die Regeln ändern. Deutschland wäre besonders betroffen
Berlin. Angela Merkel erwähnt ihn nicht persönlich. Aber Uspräsident Donald Trump mit seinem „America first“-credo und der Absage an den Freihandel ist natürlich mit im Raum, wenn die Kanzlerin gemeinsam mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe die Wichtigkeit des freien Handels feiert.
Zuvor hatten die USA bei den G20-finanzministern verhindert, dass sich die wichtigsten Industriestaaten in einer Erklärung für bisher geltende Standards wie Freihandel und Klimaschutz aussprechen konnten. Die neue Us-regierung denkt etwa über neue Steuern auf Importe nach.
Warum Freihandel?
Internationaler Handel galt lange als entscheidender Treiber für den Wohlstand weltweit. In der Nachkriegszeit gelang es immer öfter, Zölle und andere Handelshemmnisse abzubauen und Märkte zu öffnen. Gerade die Schwellenländer profitierten von der Integration in die Weltwirtschaft. Das Welthandelsvolumen wuchs stetig. Ökonomen sind sich bei vielen Themen uneins – die positive Wirkung des internationalen Handels auf die wirtschaftliche Entwicklung bezweifelt aber kaum einer. Handel fördert die Verbreitung von neuen Ideen und besseren Produkten. Die Produktivität steigt, es wird mehr gekauft, letztlich steigen auch die Löhne. Beim Freihandel kann es aber vorübergehend auch Verlierer geben – und nicht jedes Abkommen ist fair. Das Problem sind vor allem Lieferketten, bei denen Großkonzerne in Ländern ohne Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards billig produzieren.
Ist Freihandel wirklich ein Nachteil für die USA?
Im Prinzip nicht. Auch die USA haben von der internationalen Arbeitsteilung profitiert, sie war tragende Stütze der Nachkriegsordnung. Doch die Wettbewerbsschwäche der Us-industrie ist seit Jahren ein Problem: Seit der Jahrtausendwende sind vor allem wegen der chinesischen Konkurrenz Millionen Industriearbeitsplätze abgebaut worden – und auch die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Mexiko hat Jobs in den USA gekostet. Es wurde lange versäumt, die Folgen für die betroffenen Regionen abzufedern und neue Stellen zu schaffen. Seit zwei, drei Jahren ist allerdings eine Trendwende in der Industrie erreicht, es entstehen wieder neue Arbeitsplätze. Denn Abschottung hilft auf Dauer nicht, die amerikanische Industrie muss wettbewerbsfähiger werden.
Welche Abkommen gibt es?
Die Mutter aller Abkommen ist der 1947 unterzeichnete Gatt-vertrag. Das Allgemeine Zollund Handelsabkommen war der Vorreiter. Das derzeit bekannteste, Donald Trump, Us-präsident
da mächtig umstrittene Abkommen tritt ab April vorläufig in Kraft: Ceta, der Handelsvertrag zwischen der EU und Kanada. Für ein endgültiges Inkrafttreten müssen noch die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten zustimmen. TTIP, das geplante größere Abkommen zwischen den USA und der EU, war jedoch bereits vor dem Amtsantritt von Trump so gut wie tot. Auch dem transpazifischen Handelsabkommen TPP haben die USA eine Absage erteilt. Die übrigen elf Länder, darunter Japan und Australien, sowie zehn weitere Länder suchen nach einem Weg der Zusammenarbeit. So könnte etwa China wieder an Bord kommen. Die Volksrepublik wird ohnehin schleichend zum wirtschaftlichen Gegengewicht der USA. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt präsentiert sich in der letzten Zeit gar als Verteidiger des Freihandels. Obwohl Peking sich nicht scheut, die eigene Wirtschaft auch mit unfairen Methoden zu schützen. Doch auch die Kanzlerin hatte vergangene Woche mit Xi in einem Telefonat eine engere Kooperation für offene Märkte verabredet. Das nordamerikanische Handelsabkommen Nafta zwischen den USA, Kanada und Mexiko soll nach dem Willen der neuen Us-administration ebenfalls neu verhandelt werden. Präsident Trump hatte einige Regelungen in dem Abkommen als unfair beanstandet.
„Wir möchten nicht gewinnen, sondern wir möchten, dass das fair gestaltet wird.“
Belastet der Streit den G20-gipfel im Juli in Hamburg?
Noch unklar. In der Bundesregierung wird nicht ausgeschlossen, dass Trumps Konfrontationskurs Gastgeberin Merkel den Gipfel-spaß verdirbt. Doch hinter den Kulissen wurden während ihres Besuchs in Washington auch schon Kompromisslinien ausgelotet, Trump soll sich durchaus offen gezeigt haben. So könnte künftig statt „free Trade“von „fair Trade“gesprochen werden, heißt es. „Wir möchten nicht gewinnen, sondern wir möchten, dass das fair gestaltet wird“, hat der Us-präsident erklärt.