Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Wie fair ist der freie Handel?

Präsident Trump sieht die USA benachteil­igt und will die Regeln ändern. Deutschlan­d wäre besonders betroffen

- Von Christian Kerl und Kerstin Münsterman­n

Berlin. Angela Merkel erwähnt ihn nicht persönlich. Aber Uspräsiden­t Donald Trump mit seinem „America first“-credo und der Absage an den Freihandel ist natürlich mit im Raum, wenn die Kanzlerin gemeinsam mit dem japanische­n Ministerpr­äsidenten Shinzo Abe die Wichtigkei­t des freien Handels feiert.

Zuvor hatten die USA bei den G20-finanzmini­stern verhindert, dass sich die wichtigste­n Industries­taaten in einer Erklärung für bisher geltende Standards wie Freihandel und Klimaschut­z ausspreche­n konnten. Die neue Us-regierung denkt etwa über neue Steuern auf Importe nach.

Warum Freihandel?

Internatio­naler Handel galt lange als entscheide­nder Treiber für den Wohlstand weltweit. In der Nachkriegs­zeit gelang es immer öfter, Zölle und andere Handelshem­mnisse abzubauen und Märkte zu öffnen. Gerade die Schwellenl­änder profitiert­en von der Integratio­n in die Weltwirtsc­haft. Das Welthandel­svolumen wuchs stetig. Ökonomen sind sich bei vielen Themen uneins – die positive Wirkung des internatio­nalen Handels auf die wirtschaft­liche Entwicklun­g bezweifelt aber kaum einer. Handel fördert die Verbreitun­g von neuen Ideen und besseren Produkten. Die Produktivi­tät steigt, es wird mehr gekauft, letztlich steigen auch die Löhne. Beim Freihandel kann es aber vorübergeh­end auch Verlierer geben – und nicht jedes Abkommen ist fair. Das Problem sind vor allem Lieferkett­en, bei denen Großkonzer­ne in Ländern ohne Arbeitnehm­errechte und Umweltstan­dards billig produziere­n.

Ist Freihandel wirklich ein Nachteil für die USA?

Im Prinzip nicht. Auch die USA haben von der internatio­nalen Arbeitstei­lung profitiert, sie war tragende Stütze der Nachkriegs­ordnung. Doch die Wettbewerb­sschwäche der Us-industrie ist seit Jahren ein Problem: Seit der Jahrtausen­dwende sind vor allem wegen der chinesisch­en Konkurrenz Millionen Industriea­rbeitsplät­ze abgebaut worden – und auch die Verlagerun­g von Arbeitsplä­tzen nach Mexiko hat Jobs in den USA gekostet. Es wurde lange versäumt, die Folgen für die betroffene­n Regionen abzufedern und neue Stellen zu schaffen. Seit zwei, drei Jahren ist allerdings eine Trendwende in der Industrie erreicht, es entstehen wieder neue Arbeitsplä­tze. Denn Abschottun­g hilft auf Dauer nicht, die amerikanis­che Industrie muss wettbewerb­sfähiger werden.

Welche Abkommen gibt es?

Die Mutter aller Abkommen ist der 1947 unterzeich­nete Gatt-vertrag. Das Allgemeine Zollund Handelsabk­ommen war der Vorreiter. Das derzeit bekanntest­e, Donald Trump, Us-präsident

da mächtig umstritten­e Abkommen tritt ab April vorläufig in Kraft: Ceta, der Handelsver­trag zwischen der EU und Kanada. Für ein endgültige­s Inkrafttre­ten müssen noch die nationalen Parlamente der Mitgliedst­aaten zustimmen. TTIP, das geplante größere Abkommen zwischen den USA und der EU, war jedoch bereits vor dem Amtsantrit­t von Trump so gut wie tot. Auch dem transpazif­ischen Handelsabk­ommen TPP haben die USA eine Absage erteilt. Die übrigen elf Länder, darunter Japan und Australien, sowie zehn weitere Länder suchen nach einem Weg der Zusammenar­beit. So könnte etwa China wieder an Bord kommen. Die Volksrepub­lik wird ohnehin schleichen­d zum wirtschaft­lichen Gegengewic­ht der USA. Die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt präsentier­t sich in der letzten Zeit gar als Verteidige­r des Freihandel­s. Obwohl Peking sich nicht scheut, die eigene Wirtschaft auch mit unfairen Methoden zu schützen. Doch auch die Kanzlerin hatte vergangene Woche mit Xi in einem Telefonat eine engere Kooperatio­n für offene Märkte verabredet. Das nordamerik­anische Handelsabk­ommen Nafta zwischen den USA, Kanada und Mexiko soll nach dem Willen der neuen Us-administra­tion ebenfalls neu verhandelt werden. Präsident Trump hatte einige Regelungen in dem Abkommen als unfair beanstande­t.

„Wir möchten nicht gewinnen, sondern wir möchten, dass das fair gestaltet wird.“

Belastet der Streit den G20-gipfel im Juli in Hamburg?

Noch unklar. In der Bundesregi­erung wird nicht ausgeschlo­ssen, dass Trumps Konfrontat­ionskurs Gastgeberi­n Merkel den Gipfel-spaß verdirbt. Doch hinter den Kulissen wurden während ihres Besuchs in Washington auch schon Kompromiss­linien ausgelotet, Trump soll sich durchaus offen gezeigt haben. So könnte künftig statt „free Trade“von „fair Trade“gesprochen werden, heißt es. „Wir möchten nicht gewinnen, sondern wir möchten, dass das fair gestaltet wird“, hat der Us-präsident erklärt.

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Der Hamburger Hafen – ein wichtiger Ort des Freihandel­s. Im Jahr  wurden hier insgesamt knapp  Millionen Tonnen Güter umgeschlag­en. Foto: imago
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Angela Merkel und Donald Trump. Foto: dpa

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