Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Wenn Dichter Funken schlagen
Frank Simon-ritz frönt heute dem „Welttag der Poesie“und freut sich schon auf die Begegnung zwischen Jazz und Lyrik
Weimar. Ob er denn am Morgen mit einem Gedicht im Ohr aufgewacht sei, will ich wissen. Warum? fragt er. – Na, am Welttag der Poesie! Oh, gesteht Frank Simon-ritz, daran habe er gar nicht gedacht.
Aber es komme durchaus vor, so der Bibliotheksdirektor der Weimarer Bauhaus-universität, dass in seinem Kopf eine Gedichtzeile nachklinge. Von Joachim Ringelnatz, beispielsweise, die er am Sonnabend bei den Weimarer „Lesarten“vortragen will: „Die Nacht war kalt und sternenklar“, heißt es in „Logik“. „Da trieb im Meer bei Norderney / Ein Suahelischnurrbarthaar. – / Die nächste Schiffsuhr wies auf drei.“
„Unterm Sternenzelt – Jazz und Lyrik“heißt der Abend, der in der Musikschule Weimar über die Bühne geht. Da wird Simon-ritz zusammen mit den Autoren Daniela Danz und Christoph Schmitz-scholemann klassische und Moderne Gedichte rezitieren. Witzig bis tiefernst und abgründig sei das Programm, verspricht der Lyrik-fan, das Sprachmagie mit Jazz vereine. Das sei schon immer sein Traum gewesen, drei Rezitatoren mit drei improvisationsfreudigen Musikern zu vereinen. Er hoffe, dass daraus „Funken schlagen“.
Am Freitagabend bereits ist seine Einrichtung, die Bauhaus-universitätsbibliothek, erneut Gastgeber für die Reihe „Lyrik im Glaspavillon“, die schon seit längerem die Weimarer „Lesarten“begleitet. Diesmal werden Silke Scheuermann (Frankfurt/main) und Peter Neumann (Weimar) aus ihren Gedichtbänden lesen. Das Motto des diesjährigen Festivals lautet „Zukunft“.
Lyrik und Zukunft? – Darüber muss der promovierte Bibliothekar einen Moment lang nachdenken. Er glaube, dass Dichtung noch nie so zeitgemäß gewesen sei wie im digitalen Zeitalter von Twitter und Facebook, erklärt er dann. Heute, wo so viel verkürzt, verknappt und amputiert werde, mache Lyrik den Unterschied – indem sie „verdichte“und im Wasserglas die Welt spiegele. Allerdings stelle sie auch Anforderungen, verlange dem Rezipienten Einfühlung und Anstrengung ab. Nur wer sich ganz auf Poesie einlasse, erlebe die ganze Bandbreite der Gefühle, von Momenten des Glücks über die Melancholie bis zur Trauer.
Führt die Dichtung heute ein so hoffnungsloses Nischendasein, dass sie den „Welttag der Poesie“wirklich nötig hat? – „Nein“, widerspricht Simon-ritz, „sie verbreitet Hoffnung, wenn sie Qualität und Intensität beweist.“Und nichts gegen ein Nischendasein! „Aus der Nische sieht man die Welt mit anderen Augen.“Er jedenfalls lasse sich immer wieder gern von einem Poeten überraschen. Gedichte seien für ihn kontinuierliche Begleiter durchs Leben, stimmungsabhängig, jedoch nicht tageszeitspezifisch.
Auch wenn der Literaturbetrieb sie stiefmütterlich behandelt, um die Zukunft des Gedichts ist dem Büchermann nicht bange. Und wie endet das eingangs zitierte Ringelnatzgedicht? – „Wollen Sie die zweite Strophe noch hören?“fragt Simonritz und legt nach: „Mir scheint da mancherlei nicht klar, / Man fragt doch, wenn man Logik hat, / Was sucht ein Suahelihaar / Denn nachts um drei am Kattegatt?“
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Freitag, Uhr: Lyrik im Glaspavillon; Samstag, . Uhr: Unterm Sternenzelt – Jazz und Lyrik