Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Ein effizienter Herr
Zum Tod von Horst Ehmke, der sich überall gebraucht fühlte
Als ihn einmal sein Fahrer fragte, wo er ihn hinfahren soll, soll Horst Ehmke geantwortet haben: „Egal wohin, ich werde überall gebraucht!“
Er war einer der engsten Vertrauten Willy Brandts, unter dem er kraftvoll das Bundeskanzleramt leitete, nicht zur Freude seiner Kabinettskollegen, er war unter anderem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung und das Postund Fernmeldewesen, als die Post noch ein Staatsbetrieb war. Seine Lieblingsvokabel war Effizienz. Er starb 90-jährig in einem Bonner Krankenhaus.
Bereits mit 33 Jahren erhielt er den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Freiburger Juristenfakultät. Die vielversprechende akademische Karriere gab er zugunsten einer Politikerkarriere auf. Der durch Kriegseinsatz als Fallschirmjäger und durch sowjetische Kriegsgefangenschaft geprägte Horst Ehmke war sich zu schade, um an einer Universität herumzutrödeln. 400 Klausuren an einem Wochenende zu korrigieren, bei denen die unleserliche Schrift noch das geringste Problem war, konnte ihn nicht begeistern.
Er machte sich als Rechtspolitiker einen Namen, als Staatssekretär des ersten sozialdemokratischen Bundesjustizministers Gustav Heinemann. Als dessen Nachfolger übernahm er nach Heinemanns Wahl zum Bundespräsidenten das von „alten Kameraden“aus der Nazi-justiz durchsetzte Justizministerium. Er war einer der Väter der großen Strafrechtsreform, gemeinsam mit dem Tübinger Strafrechtslehrer Jürgen Baumann, nach der Homosexualität, Ehebruch und Kuppelei keine Straftatbestände mehr waren.
Im Familien -und Erbrecht wurde die Gleichbehandlung nichtehelicher mit ehelichen Kindern durchgesetzt.
Anfang der 1990er-jahre war Horst Ehmke stellvertretender Vorsitzender der oppositionellen Spd-fraktion. Nach einer lautstarken Auseinandersetzung entzog ihm ihr damaliger Vorsitzender Hans-jochen Vogel das unter Sozialdemokraten übliche Du und redete ihn mit Herr Professor an.
Wie das gemeint war, möge sich jeder selbst denken.
Klaus Heyder, Erfurt