Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Wettlauf um das höchste Gebäude
Luxuswohnungen auf 1007 Metern – ein geplantes Hochhaus in Saudi-arabien bricht alle Rekorde
Berlin. Niemand verkörpert das absurde Wettrennen um die Weltspitze besser als Adrian Smith (72). Der Stararchitekt aus Chicago ist ein Rekordhalter, seit er das höchste Gebäude des Planeten gebaut hat: 830 Meter hoch ragt der Burj Khalifa in den Himmel von Dubai. Erst vor wenigen Jahren wurde der Luxus-wolkenkratzer mit 900 Wohnungen eröffnet, doch schon in zwei Jahren wird sich Smith seine eigene Bestmarke abjagen. Denn im benachbarten Saudi-arabien baut er derzeit den Kingdom Tower – einen gigantischen Turm aus Stahl und Glas, 1007 Meter hoch. Smith will das erste Gebäude erschaffen, das die magische Höhengrenze von einem Kilometer packt. Geplante Fertigstellung: 2019. Die Jagd nach neuen Rekorden erreicht immer extremere Dimensionen. Der Kingdom Tower soll die Macht der saudischen Königsfamilie demonstrieren. Jährlich 2,5 Millionen muslimische Pilger, so malen es sich die Herrscher aus, werden künftig auf dem Weg zum heiligen Wallfahrtsort Mekka schon beim Landeanflug auf den Königabd-al-aziz-flughafen vom Reichtum Saudi-arabiens überwältigt. Der Turm wird ein 200Zimmer-hotel und 481 Luxuswohnungen beherbergen. Von der Aussichtsplattform in 502 Meter Höhe soll der Blick bis nach Afrika reichen.
Der Kingdom Tower ist nur eines von vielen Prestigeprojekten. Die Welt erlebt einen beispiellosen Hochhausboom. 110 Wolkenkratzer mit über 200 Metern sind letztes Jahr weltweit fertiggestellt worden, berichtet das Expertenbüro Council on Tall Buildings and Urban Habitat (CTBUH) – so viele wie nie zuvor. Vor allem in Asien entstehen Stadtviertel, die die Skyline von Manhattan mühelos in den Schatten stellen. Allein in China entstanden 2016 laut CTBUH 85 Wolkenkratzer. Frankfurt am Main, die deutsche Stadt mit den meisten Hochhäusern, versinkt derweil in der Bedeutungslosigkeit. „Putzig“wirke die Silhouette im internationalen Vergleich, findet Peter Cachola Schmal, der Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt. Sogar den Titel „höchstes Bürogebäude Europas“ist die Stadt längst los: Der Commerzbankturm ist mit 259 Metern nicht mehr konkurrenzfähig. Europas Nummer eins ist „The Shard“, ein Hochhaus mit 310 Metern im Londoner Stadtteil Southwark.
Planer reagieren mit Hochhäusern auf explodierende Immobilienpreise. Viele aufstrebende Städte könnten nicht mehr in die Breite wachsen, sagt Mounid Hammoud, der Geschäftsführer des Kingdom-tower-projektträgers. Deshalb entstehen rund um den Wolkenkratzer in Saudi-arabien weitere Hochhäuser, die Touristen in die Geschäfte und Hotels locken sollen.
Architektonisch jedoch ist der Höhenrausch umstritten. Der Düsseldorfer Baufachmann Christoph Ingenhoven (57) hat selbst weltweit Hochhäuser verwirklicht. Trotzdem meldet er sich in Interviews als Kritiker zu Wort und warnt vor Investitionsruinen: „In 600 Meter Höhe möchte niemand mehr wohnen.“Gebäude solcher Höhe seien wie eigene Kleinstädte, „für die es keine erprobten Lösungen gibt“. Bauherren gehe es vor allem ums Prestige, kritisiert Ingenhoven. Die Lässigkeit, mit der in China Wolkenkratzer gebaut würden, sei „schon eindrucksvoll. Aber oft wird nicht an die Folgekosten gedacht. So ist zum Beispiel die Luft in Shanghai enorm salzhaltig, dazu kommt noch eine deutliche Luftverschmutzung durch Abgase.“
Ein Ende des globalen Booms ist nicht abzusehen. Adrian Smith, der Architekt des Burj Khalifa und des Kingdom Towers, hält Gebäude von bis zu einer Meile Höhe (etwa 1,6 Kilometer) technisch für unproblematisch. Tatsächlich wird sich Smith nicht lange daran erfreuen können, das höchste Gebäude gebaut zu haben: Basra, eine wegen ihres Ölreichtums schnell wachsende Industriestadt im Süden des Irak, bereitet schon einen Wolkenkratzer der Superlative vor, der sogar den Kingdom Tower noch einmal um 152 Meter überragen wird. Einen Termin für den Baustart gibt es zwar noch nicht. Doch die Planer schwärmen bereits von einer Stadt im Himmel mit einem eigenen Bahnnetz.
Blick soll nach Afrika reichen