Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Schmerz und Lohn der Leidenschaft
Es ist eines der schönsten und traurigsten Gedichte zugleich, mit der die Thüringer Allgemeine heute ihre Anthologie schließt. Und es passt, weil Goethe diese Reihe vor exakt drei Jahren auch eröffnete. Damals war es „Wanderers Nachtlied“, das ebenso gut „Sehnsucht“hätte heißen können.
So wie das heutige Gedicht. Es geht um die Liebe, den Tod und die Sehnsucht, ums Werden und Vergehen. Es geht um das Streben nach etwas, was mächtiger ist als wir selbst.
Damit unsere Gefühlswelt nicht durcheinander kommt, tun wir aber im Alltag alles, was uns von „überflüssigen“Gefühlen wie der Liebe ablenkt. Zum Beispiel schauen wir einen von Millionen Liebesfilmen – als Ersatz gewissermaßen. Aber es gibt noch bessere Ablenkungsmanöver:
1) Du stürzt dich in die Arbeit.
2) Du stürzt dich ins Kaufhaus.
3) Du stürzt dich an die Bar.
Besser so. Denn Liebe und Leidenschaft sind gefährlich, und man tut gut daran, sie zu verschweigen. „Sagt es niemand..., weil die Menge gleich verhöhnet.“Stell dir vor, du gestehst öffentlich eine heimliche Liebe wie in manchen Us-amerikanischen Streifen (die merkwürdigerweise auch immer gut enden): In der Regel bist du für den Rest deiner Tage in der Schule oder am Arbeitsplatz der Depp. Ein Liebender, der sich verzehrt, gilt irgendwo immer auch als Verlierer. Warum das so ist? Das gehört wohl zu den Geheimnissen des Lebens.
Das Verzehrende der Liebe ist tatsächlich ziemlich ungesund, vor allem, wenn es eine heimliche oder unmögliche Liebe ist, wie sie Goethe oft beschrieben hat. Es tut weh, und der Schmetterlingsvergleich trifft ins Schwarze. Liebe hat ganz viel mit Tod zu tun. Mit Schmerzen, mit Sehnsucht, mit Liebeskummer eben.
Aber auch die Erfüllung kommt zuweilen einem Todesakt gleich, nur dass Goethe dieses seltsame Aufgehen und Sich-verlieren sehr viel schöner beschreibt.
Natürlich geht es Goethe noch um viel mehr als das. Es geht um Sehnsucht und Leidenschaft im allgemeinen. Wer es zulässt, leidet. Sehr. Und lebt. Intensiv. Der Lohn dafür: Du bist kein trüber Gast auf der dunklen Erde. Johann Wolfgang von Goethe, geb. in Frankfurt am Main, kam nach Weimar, wo er bei Herzog Carl August u.a. ein Ministeramt bekleidete. In Weimar schuf er den größten Teil seines Werks, darunter „Torquato Tasso“, „Iphigenie of Tauris“und „Faust“. Foto: P. Michaelis