Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Nur der Versuch macht klug

Einfach inne halten

- Von Lena Burghardt, Pfarrerin In der Regionalge­meinde Artern-heldrungen, Seelsorgeb­ereich Artern

Manchmal geht es einfach zu schnell! Unsere Sprache verrät es: „Ich geh‘ noch mal schnell zum Supermarkt!“Oder: „Machst du das schnell noch?“Oder: „Kannst du mal schnell die Frau So-und-so anrufen?“Oder – sehr paradox: „Ich mach mal schnell Mittagspau­se!“

Genervt, müde und erschlagen nach einem langen Tag auf das Sofa zu sinken, das ist für viele Alltag. Die Folgen sind Migräne, Schlafprob­leme oder Herzkrankh­eiten.

Wenn wir also zufriedene­r und gesünder leben wollen, tun wir gut daran, etwas gegen das „mal schnell“zu unternehme­n. Das ist leichter gesagt als getan, die Gewohnheit­en und der innere Schweinehu­nd haben eben oft die besseren Karten.

Ein Bild macht es vielleicht klarer: Kein Mensch würde auf die Idee kommen, den Motor seines Autos 24 Stunden, 7 Tage die Woche durchlaufe­n zu lassen. Nicht nur, weil es den Nachbarn nervt und Unmengen Sprit verbraucht, sondern auch, weil der Motor dann schnell verschleiß­t und über kurz oder lang kaputt geht. Es wäre schlichtwe­g ineffektiv.

Und warum läuft nun „unser Motor“im Alltag ständig? Mal probeweise etwas im Alltag zu verändern, dafür bietet die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern Raum. Viele Menschen verzichten in diesen 40 Tagen auf Alkohol oder Schokolade oder etwas anderes. Doch Fasten ist mehr als Verzichten.

Für mich ist die Fastenzeit eine Probierzei­t: 40 Tage lang habe ich den Freiraum, probehalbe­r etwas in meinem Alltag zu verändern, wofür ich in den verbleiben­den 325 Tagen im Jahr wenig Energie aufbringe. Wie wäre es zum Beispiel, sich in den nun noch verbleiben­den drei Wochen bis Ostern die Fastenakti­on der evangelisc­hen Kirche zum Vorbild zu nehmen, zu versuchen, drei Wochen ohne das „mal schnell“auszukomme­n? Vielleicht läuft alles dann nicht mehr ganz so rund und vorhersehb­ar wie sonst.

Vielleicht sind Kollegen irritiert und der Sohn oder die Tochter genervt, weil das Trikot für das nächste Training noch tropfend auf der Leine hängt. Vielleicht verschiebt sich aber auch der Tagesablau­f und da, wo vorher Hektik, Gereizthei­t und Müdigkeit war, ist nun Zeit.

Ruhig und wach hören wir uns wieder selbst und die anderen um uns herum – und vielleicht hören wir auch wieder Gott. Nur Versuch macht klug!

Probieren Sie es jetzt einfach aus: Nicht schnell noch einkaufen, sondern vielleicht weiter in der Zeitung lesen, am besten mit einer Tasse Tee oder Kaffee in der Hand.

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