Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Rot bleibt hinter Silber
Lewis Hamilton dominierte die ersten beiden Trainingseinheiten zum Großen Preis von Australien. Sebastian Vettel im Ferrari auf Rang zwei
Melbourne. Sebastian Vettel kratzte sich an seinem Vollbart, atmete geräuschvoll ein und betrieb erst mal Erwartungsmanagement. „Ich bin nicht glücklich mit der Balance des Autos, keine Frage. Heute ist es aber immer noch schwer zu sagen, wer wirklich wo steht. Sicher ist nur, dass wir noch Arbeit vor uns haben“, sagte der Ferrari-pilot nach dem vermeintlich richtungweisenden ersten Trainingstag der neuen Formel-1-saison.
Dass Ferrari das neue Aerodynamik-reglement am besten verstanden hat und mit Unterstützung der Regelhüter über den Winter einfach so an Branchenführer und Triple-weltmeister Mercedes vorbeigezogen ist – so manch ein Motorsport-romantiker mag davon geträumt haben, erst recht nach den starken Darbietungen der Scuderia bei den Testfahrten in Barcelona. Die Realität vor dem GP von Australien (Sonntag 7 UHR/RTL und Sky) scheint zumindest eine andere zu sein.
Im Albert Park von Melbourne hat nämlich der dreimalige Weltmeister Lewis Hamilton den Hoffnungen der Konkurrenz auf eine bröckelnde Mercedes-herrschaft gleich einen ordentlichen Dämpfer erteilt. Der Brite dominierte die ersten beiden Trainingseinheiten am Freitag augenscheinlich nach Belieben, während die Verfolger zum Saisonstart trotz der „Schützenhilfe“einer umfangreichen Regelreform zunächst offenbar kaum näher an die Silberpfeile herangekommen sind.
Hamilton setzte in 1:23,620 Minuten die souveräne Tagesbestzeit. Damit ist der Brite auch der logische Favorit für das Qualifying am Samstag (7 Uhr MEZ) – und unterstrich gleich seine Ambitionen auf den vierten Wm-titel. „Es war zu 99 Prozent perfekt heute“, sagte Hamilton: „Nach den schwierigen Testfahrten ist das Auto jetzt da, wo es sein sollte. Aber wir werden erst morgen sehen, wo wir wirklich stehen.“Mercedes-motorsportchef Toto Wolff lobte seinen Starpiloten ausdrücklich: „Lewis hatte einen sehr guten Tag. Wir hatten nach den Testfahrten einige Fragezeichen. Für das Team war das heute einer der besseren Freitage.“ Vettel wurde zwar Zweiter hinter Hamilton, der nach dem Rücktritt von Weltmeister Nico Rosberg (Wiesbaden) der große Wm-favorit ist. Der Rückstand von 0,547 Sekunden stimmte den viermaligen Weltmeister Vettel aber bereits ein wenig nachdenklich. Zumal sein Ferrari nicht frei von Problemen ist: In der ersten Einheit konnte der Heppenheimer wegen Arbeiten am verstellbaren Heckflügel seines SF70-H kaum fahren.
Einen Nackenschlag erlebte auch Hamiltons neuer Teamkollege: Rosberg-nachfolger Valtteri Bottas (Finnland) war als Dritter auf seiner schnellsten Runde ganze 0,556 Sekunden langsamer als Hamilton. „Ich kann morgen definitiv einen Schritt nach vorne machen“, resümierte Bottas selbstkritisch.
Erste Ernüchterung stellte sich auch bei Red Bull ein. Die hoch eingeschätzten Daniel Ricciardo (Australien) und Max Verstappen (Niederlande) kamen nicht über die Plätze fünf beziehungsweise sechs hinaus und lagen 1,030 beziehungsweise 1,393 Sekunden hinter Hamilton. Nico Hülkenberg (Emmerich) belegte in seinem ersten Training für Renault den ordentlichen neunten Platz (+1,858), Sauber-debütant Pascal Wehrlein (Worndorf) kam mit 3,299 Sekunden Rückstand auf Rang 18 unter 20 Startern. (sid)
Erste Ernüchterung bei Red Bull-team