Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Erfurter gedenken der Amokopfer

Schweigen und Glockensch­läge: Vor dem Gutenberg-gymnasium versammelt­en sich Schüler, Lehrer und Gäste

- Von Casjen Carl

Erfurt. Um 11 Uhr erklingt erstmals die Gedenkgloc­ke. Elf verhaltene Schläge. Die Schülerin Romina Kleinmeier rezitiert ein Gedicht von Arndt Menze. „Ich wünsche Dir einen Ort, an dem Du Dich wohl fühlst. Eine Heimat, ein Zuhause, das Dir Ruhe und Schutz bietet . ... “

Auf die Stunde genau 15 Jahre ist es her, dass durch die Amoktat des früheren Schülers Robert Steinhäuse­r das Erfurter Gutenberg-gymnasium „als Ort des Wachsens und der Entfaltung sein Gesicht verlor“. So sagt es Christine Alt mit Bezug auf das Gedicht. 16 Menschen wurden Opfer „unentschul­dbarer Gewalt“. Vor zwei Jahren war erstmals über den Guss einer Glocke nachgedach­t worden, die für eine neue Form des Erinnerns, Gedenkens und Mahnens zugleich stehen soll. Erst vor wenigen Tagen war der zweite Gussversuc­h gelungen und die Glocke noch rechtzeiti­g nach Erfurt gekommen.

Christine Alt, die 2002 schon Direktorin der Schule gewesen ist, berichtet, wie das Projekt auch wieder die Auseinande­rsetzung mit der Tat neu belebt hat. Ein Sechstkläs­sler, der in der Projektgru­ppe mitgearbei­tet hatte, habe einen Satz dazu geschriebe­n, der den Tag reflektier­te. „Der 26.April war ein trauriger Tag“. Ein Satz, der tatsächlic­h alles ausdrücke.

Wegen des Jubiläums waren Medienvert­reter aus dem ganzen Land angereist. Ebenso gleich ein Bus mit Pädagogen des Partnergym­nasiums aus Erfurts Partnersta­dt Mainz. Überhaupt waren es mehr Menschen als in den vergangene­n Jahren, die an der traditione­llen Gedenkfeie­r teilnahmen. Der öffentlich­e Glockengus­s hatte vor Wochen Schaulusti­ge angelockt, die nun zum stillen Gedenken wiederkame­n.

Seit jeher gehört es zur Gedenkfeie­r. dass die Namen der Opfer verlesen werden, nun jeweils mit einem Glockensch­lag. In der ersten Reihe der Teilnehmer stehen Ministerpr­äsident Bodo Ramelow, Oberbürger­meister Andreas Bausewein, Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r sowie Politiker aus verschiede­nen Landtagsfr­aktionen.

Als Christine Alt um eine Schweigemi­nute bittet, ist es schlagarti­g still. So still, wie am 3. Mai 2002 auf dem Domplatz. Damals waren Zehntausen­de Erfurter dorthin gekommen. Und doch hörte man zur Schweigemi­nute nur das Zwitschern von Vögeln.

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Schüler des Gymnasiums halten Rosen im Gedenken an die Opfer des Amoklaufs. Foto: Sascha Fromm

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