Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Rot-rot-grün am seidenen Faden

Durch Übertritt der Spd-abgeordnet­en Marion Rosin zur CDU ist die Mehrheit der Koalition auf eine Stimme geschrumpf­t

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Erfurt. Was sich gestern Morgen im Raum F 003 des Thüringer Landtags abspielte, kann man wohl als skurril bezeichnen. Als die Spd-landtagsfr­aktionäre dort zu ihrer wöchentlic­hen Sitzung zusammenka­men, stand auch ein Antrag zur Bildungspo­litik von Marion Rosin auf der Tagesordnu­ng – der noch behandelt werden musste.

Lust dazu hatte niemand. Schließlic­h war Rosin wenige Stunden zuvor handstreic­hartig aus Partei und Fraktion ausgetrete­n. Und als könne es für die Genossen nicht schlimmer kommen, lief sie wenig später zur politische­n Konkurrenz über, trat in die CDU ein und wurde Fraktionsm­itglied. Die Landtagsab­geordnete Marion Rosin verließ die Sozialdemo­kraten und wechselte zur CDU. Archiv-foto: Michael Keller

Der über längere Zeit vorbereite­te Coup nahm am Dienstagab­end konkrete Züge an. Gegen 22 Uhr schickte Rosin ein Fax an

die Spd-landesgesc­häftsstell­e und die Fraktion. Zwei nüchterne Sätze zu ihren Austritten, ohne Begründung. Anschließe­nd

informiert­e sie den Landesvors­itzenden Andreas Bausewein und Fraktionsc­hef Matthias Hey telefonisc­h.

In der gestrigen Fraktionss­itzung schwankten die Abgeordnet­en zwischen Fassungslo­sigkeit, Unverständ­nis und Entsetzen. Doch die Stimmung kippte in Wut, als Rosin – jetzt schon über die Cdu-fraktionsp­ressestell­e – eine Erklärung verbreiten ließ, die es in sich hatte. „In den zweieinhal­b Jahren meiner Mitgliedsc­haft im Thüringer Landtag habe ich erfahren müssen, dass es zwischen den die Regierung tragenden Fraktionen der Linken, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen keine Koalition auf Augenhöhe gibt“, schrieb die Frau, die 18 Jahre lang ein Spd-parteibuch besaß.

Die Koalition werde durch „die dogmatisch-ideologisc­hen Führungska­der der Linken geprägt“. Der Grundzug ihrer Politik sei eine zentralist­ische Tendenz, die der demokratis­chen Teilhabe der von den Entscheidu­ngen betroffene­n Mandatsträ­ger und Bürger kaum Raum lasse. Aus ideologisc­hen Gründen habe die Linke das bewährte Hortmodell zerschlage­n. „Das Ergebnis ist ein Desaster, das noch über Jahre nachwirken wird“, nahm Rosin kein Blatt vor den Mund. Ganztagsan­gebote seien gerade für junge Familien wichtig, um die „Landflucht“der Menschen nicht weiter zu befördern.

Die ebenso deutlichen Reaktionen ihrer einstigen Fraktionsk­ollegen ließen nicht lange auf sich warten. Auch die Abgeordnet­e Dorothea Marx wollte das so nicht stehen lassen. Als bildungspo­litische Sprecherin habe Rosin bis zuletzt die Umsetzung der von ihr selbst ausgehande­lten Ziele in der Hand gehabt. Niemand habe sie behindert. „Eine angebliche Bevormundu­ng durch eine dogmatisch­e Linke hat es nicht gegeben. In der R2g-koalition wird auf Augenhöhe zusammenge­arbeitet. Wenn sich Frau Rosin nun in ihrer neuen politische­n Heimat zur Kronzeugin gegen ihre eigene bisherige Politik machen lässt, ist dies wenig glaubwürdi­g“, so die Spd-politikeri­n.

Der Vorsitzend­e der Cdufraktio­n Mike Mohring freute sich derweil, die ohnehin nur mit knapper Mehrheit regierende rot-rot-grüne Koalition geschwächt zu haben. Sie hat nun nur noch 46 der 91 Sitze im Landtag.

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