Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Standortpolitik mit dem Jazzhaus
Thüringen ist von Till Brönners Konzept viel begeisterter als Berlin. Daher bietet der Kulturminister Weimar als Alternative an
Weimar. So viel zumindest hat Thüringens Kulturminister schon einmal erreicht: Er brachte neuen Schub in eine festgefahrene Debatte seiner Heimatstadt Berlin. „Weimar ruft!“, meldete die Hauptstadtzeitung „Der Tagesspiegel“zu Wochenbeginn. Es war Benjamin Hoff (Linke), der für Weimar rief, vom Dienstsitz Erfurt aus – oder vom Wohnsitz Berlin.
Via Kurznachrichtendienst Twitter lud er Trompeter Till Brönner ein, die Möglichkeiten für ein „House of Jazz“in Weimar zu prüfen. Dort gebe es einen „hervorragenden Alternativstandort“zu Berlin, im alten Funkhaus in der Nietzsche-gedächtnishalle, das seit elf Jahren leer steht.
Damit reagierte Hoff auf Meldungen, wonach sein Berliner Amtskollege und Parteifreund Klaus Lederer das Projekt ablehnt, für das der Bund 12,5 Millionen Euro bereits bewilligte. Brönner, der mit seiner Idee seit Jahren hausieren ging, hatte bei Lederers Vorgänger Tim Renner (SPD) und bei Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) Erfolg gehabt.
Bei Lederer vorerst nicht. Er widerspricht derartigen Beglückungen mit vorgefertigten Konzepten ebenso wie Teile der Berliner Jazzszene und will am fraglichen Standort, der Alten Münze in Berlin-mitte, lieber ein „Haus für Basiskultur“haben.
„Das war eine etwas spontanere Reaktion“, erklärte Minister Hoff unserer Zeitung nun seine Reaktion. Sie kam vom „Gesichtspunkt der Standortpolitik“aus zustande. Mit Kultursenator Lederer hatte er „im Anschluss ein paar Diskussionen“.
Ein Gespräch mit Monika Grütters hatte er auch. Ihr erklärte er demnach am Dienstag, das Angebot aus Thüringen bestehe „nur für den Fall, dass in Berlin keine Verständigung erzielt wird.“Man begebe sich keinesfalls in Konkurrenz und verstehe sich nur als Alternative.
Insofern sei man im Moment „tiefenentspannt“. Er habe zunächst einfach Aufmerksamkeit erzeugen wollen für Weimar und Thüringen „als selbstbewussten Kulturstandort“. Das jedenfalls gelang ihm glänzend.
Till Brönner, in Berlin ebenso zu Hause ist wie in Los Angeles, träumt seit Langem von einer deutschen Jazz-zentrale, getragen von drei Säulen: ein nationales Jazzorchester (aber international besetzt), eine Akademie sowie Studios und Konzertsäle. „Es muss ein Unternehmen von internationaler Strahlkraft werden“, so Brönner im „Tagesspiegel“.
Seine eigene Rolle dabei beschrieb er in jenem Interview so: „Realistisch ist, dass ich gar nicht für die geschäftlichen oder künstlerischen Fragen ins Rennen gehe, weil ich die deutsche Jazz-szene in ihrer jetzigen Form nicht glaubhaft repräsentiere.“
Der Musiker alter Schule kann mit der zeitgenössischen und experimentierfreudigen Szene nicht viel anfangen. Sie mit ihm auch nicht.
In einer 120 Seiten langen Machbarkeitsstudie, die Monika Grütters beauftragte, heißt es derweil, das Jazzhaus solle „unter der künstlerischen Leitung des Jazztrompeters Till Brönner“entstehen.
Eine bundesweite Ausschreibung des Projektes schlug jetzt Johannes Kahrs, Spd-haushaltsexperte im Bundestag, vor. Gegenüber der Deutschen Presseagentur verwies er auf das Interesse aus Thüringen. Doch Voraussetzung für jeden Bewerber sei ein geeignetes Gebäude und eine dem Bundeszuschuss entsprechende finanzielle Beteiligung.
„Man würde das Konzept in mehrfacher Hinsicht anpassen müssen. Denn Weimar ist ja nun einmal keine Metropolregion wie Berlin.“
Benjamin Hoff (Linke), Kulturminister
Zudem müsse Till Brönner zustimmen. Mit dem hatte Hoff noch keinen Kontakt. Das sei ein „Ausdruck von Fairness“, weil Berlin nicht raus ist aus dem Spiel. Ohnehin gastierte Brönner gerade in Tokio. Er hatte bislang erklärt: „Ich möchte über Berlin sprechen.“Daher verwarf er selbst Hamburg als Alternative.
Sollte Weimar dennoch zur Option werden, „würde man das Konzept in mehrfacher Hinsicht anpassen müssen“, so Hoff. „Weimar ist ja
keine Metropolregion wie Berlin.“Dafür habe man zwei Jahre Zeit.
Gesprochen hat der Minister dennoch schon mit vielen: mit Weimars Stadtspitze, dem DNT-CHEF, der Landesarbeitsgemeinschaft Jazz, auch mit Kulturmanager Christoph Drescher (Bachwochen) und Martin Kranz von den Achava-festspielen (die nächste Woche den Gewinner ihres ersten Jazzpreises ermitteln).
Hoff setzt hier auf „partizipative Kulturpolitik“. Dergleichen mieden Brönner, Renner und Grütters in Berlin lange – was Lederer monierte.
Was den Investitionsbedarf am möglichen Standort betrifft, gibt’s noch nicht allzu viel zu sagen. Der Investor, der die Nietzsche-gedächtnishalle vom MDR erwarb, lässt sie seitdem verfallen. Für dieses Jahr plant das Amtsgericht Weimar die Zwangsversteigerung. Derzeit lässt es den Verkehrswert ermitteln.
In der Machbarkeitsstudie zum „House of Jazz“übrigens findet sich bereits ein Thüringen-bezug: als Beispiel fürs dichte deutsche Jazz-netzwerk wird auch das Lippmann+rau Musikarchiv in Eisenach aufgeführt.