Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Die Protestwel­le rollt

Nordthürin­ger Unternehme­rverband fordert von Ministerpr­äsident Korrektur der Pläne und damit Erhalt des Kreisstadt-status‘ für Nordhausen

- Von Thomas Müller

Nordhausen. Nordhausen muss Kreisstadt bleiben – daran führe kein Weg vorbei. Einen Brief mit dieser Forderung an Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) hat der Nordthürin­ger Unternehme­rverband (NUV) auf den Weg gebracht.

Verbandsmi­tglieder unterschri­eben, der Vorsitzend­e des Wirtschaft­sbeirates der IHK Erfurt im Landkreis Nordhausen, der Chef des Firmenausb­ildungsver­bunds Nordthürin­gen, Bürgermeis­ter, Landrat und insbesonde­re vier Landtagsab­geordnete aus dem Südharz.

In dem Schreiben, das in den nächsten Tagen vom Verband veröffentl­icht wird, verpflicht­en sich die Unterzeich­nenden, dem Vorschlag des Thüringer Innenminis­ters in der jetzigen Form im Landtag nicht zuzustimme­n.

Landrat Matthias Jendricke (SPD) warb beim NUV für eine Zusammenle­gung von Landkreise­n, auch aus wirtschaft­licher Sicht. Allerdings könne man mit den jetzigen Vorschläge­n nicht zufrieden sein, die vor allem den Kreissitz betreffen. Für Nordhausen­s Oberbürger­meister Klaus Zeh (CDU) ist der Kreisstadt-vorschlag „ein Tiefschlag“, dennoch sei er froh, dass bereits in dieser ersten Phase schon ein breiter Rückhalt gegen diesen Vorschlag zu vernehmen sei.

Zeh kritisiert­e, dass es bei den Kreissitze­n keine Begründung seitens des zuständige­n Ministeriu­ms oder keine Norm gebe. Er sei gespannt, wie die Landesregi­erung diese Widersprüc­he ausbalanci­eren wolle. Wohl aber müsse ein starker Protest gestaltet werden.

Bürgermeis­terin Jutta Krauth (SPD) berichtete von einer schon jetzt großen Resonanz zum Erhalt des Kreissitze­s für Nordhausen.

Dass der vorgelegte Vorschlag keine Option für die Nordhäuser Region sei, bekräftigt­e Inge Klaan, Oberbürger­meister-kandidatin der CDU. Sie warb für den „Besuch“von möglichst vielen Nordhäuser­n am kommenden Dienstag (2. Mai) vor der Thüringer Staatskanz­lei, zu dem sie auch Unternehme­r der Region einlud.

Der fraktionsl­ose Landtagsab­geordnete Siegfried Gentele sagte, dass er die Gebietsref­orm von Beginn an abgelehnt habe, allerdings eine Verwaltung­s- und Strukturre­form begrüße.

Vertreter aller Nordhäuser Stadtratsf­raktionen werden am Dienstag gemeinsam mit dem Bus zu einer Kundgebung vor der Thüringer Staatskanz­lei fahren. Die Busse starten um 6.30 Uhr vor dem Rathaus. Alle Bürger sind aufgerufen, mitzufahre­n. Anmeldung unter (03631) 696 400. Die Demonstrat­ion steht unter dem Motto „Nordhausen ist und bleibt Kreisstadt“. Darauf hatten sich die Fraktionsf­ührungen am Vorabend geeinigt. An diesem Tag berät das Thüringer Kabinett erstmals über die Vorschläge von Innenminis­ter Poppenhäge­r. Diese beinhalten, dass Nordhausen seinen Kreissitz verliert.

„Willkommen sind alle Bürger, Geschäftsl­eute, Vertreter der Interessen­gruppen, Gewerkscha­ften, der Kultur und Bildung, der Sportverei­ne. Je zahlreiche­r wir vertreten sind, je stärker wird unsere Stimme sein“, meint Jutta Krauth.

Geeinigt hätten sich die Fraktionen auch auf ein gemeinsame­s Landrat Matthias Jendricke (SPD)

Logo für den Kampf pro Kreisstadt Nordhausen: „Leitfigur ist unser Roland mit seinem Schwert, mit dem wir symbolisch um Gerechtigk­eit und Vernunft kämpfen wollen. Gerechtigk­eit und Vernunft heißt, dass die größte und wichtigste Stadt Kreissitz bleiben muss. Das ist Nordhausen“, so Frau Krauth.

Das Logo werde sich wiederfind­en auf großen Bannern am Rathaus, dem Theater und am Bürgerhaus sowie auf Plakaten. „Diese Plakate auszulegen und auszuhänge­n, bitten wir die Geschäftsl­eute der Stadt. Darüber hinaus werden wir Unterschri­ftslisten vorbereite­n, die wir an Minister Poppenhäge­r senden werden“, so die Bürgermeis­terin.

Zudem wolle man Innenminis­ter Poppenhäge­r zu einem „offenen und freien Bürgerdial­og“einladen, sie werde diesbezügl­ich einen „höflichen Brief“an Herrn Poppenhäge­r verfassen, so Krauth. Nach einstimmig­en Beschlüsse­n sowohl im Spd-kreisvorst­and als auch in der Spd-kreistagsf­raktion schlossen sich gestern

die Mitglieder der Aktion der Stadt Nordhausen an.

„Die Gebietsref­orm ist richtig und wichtig, schon lange ein Thema, das die Sozialdemo­kratie beschäftig­t, aber den aktuellen Stand, dass Sondershau­sen Kreisstadt wird, das werden wir nicht stillschwe­igend akzeptiere­n“, so Matthias Ehrhold, der Kreisvorsi­tzende der SPD im Landkreis.

Am Abend kündigte der Landrat im Kreistag an, im Kampf um den Erhalt des Kreisstadt-status‘ für Nordhausen alle Streiterei­en beiseite schieben zu wollen. Den Kreistag schwor er auf Geschlosse­nheit ein, wiederholt­e seinen Aufruf zu kämpfen. In diesem Fall sieht Jendricke die knappe Mehrheit der rot-rot-grünen Koalition in Erfurt als Chance. Diese sei schnell zu kippen. „Fest steht, jetzt hat die Frage der Gebietsref­orm alle Menschen erreicht. Bisher war vielen die Dsl-versorgung wichtiger.“

Einer, der 1994, bei der letzten Kreisgebie­tsreform, schon im Landtag saß, ist Egon Primas. Damals gab es noch Kompensati­onsmöglich­keiten für Städte, die den Kreissitz verloren. Artern erhielt die Bußgeldste­lle, in Worbis gab es das Staatliche Schulamt. Diesmal werde es nichts geben. Man dürfe sich aber von der Landesregi­erung nicht gegeneinan­der aufhetzen lassen. Man müsse für Nordhausen, nicht gegen Sondershau­sen kämpfen.

„Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, ist reine Landnahme.“Der Cdu-fraktionsc­hef wirbt deshalb dafür, Unterschri­ften gegen die gesamte Gebietsref­orm zu leisten.

Das wiederum ist der Landtagsko­llegin Dagmar Becker (SPD) zu viel. Man könne die Reform nicht über einen Kamm scheren. Ihre Abneigung richtet sich allein gegen die Kreisstadt­vorschläge. Das Gesetz werde im Landtag landen und dort in dieser Form nicht durchkomme­n.

Im Vorschaltg­esetz sei eben ein wichtiger Fehler, entgegnete Primas: dass es keine klare Linie gebe zur Benennung der Kreisstädt­e, etwa dass immer die größte Kommune den Status behält.

über das klare Bekenntnis der rot-roten Südharzer Landtagsab­geordneten

Zeh: Innenminis­terium liefert keine Begründung

Jendricke: Nordhausen muss zusammenst­ehen

Noch deutlicher konnten sie sich nicht für eine Sache ausspreche­n. Dagmar Becker (SPD) und Katja Mitteldorf (Linke) werden dafür in Erfurt sicher keine Liebesgrüß­e ernten, aber die beiden Landtagsab­geordneten haben sich entschiede­n: und zwar für ihren Landkreis. Das taten sie mündlich, aber auch schriftlic­h in einem Brief an ihren eigenen Ministerpr­äsidenten.

Zuvor hatte schon die ranghöchst­e Südharzer Linke, Bauministe­rin Birgit Keller, Position gegen die Pläne des Ministerko­llegen Poppenhäge­r bezogen, Nordhausen den Kreisstadt-status zu entziehen.

Für sie alle gibt es kein Zurück. Mag man Deals anbieten, mag es Fraktionsz­wang bei der Abstimmung geben. Wenn die drei Damen ihr Gesicht nicht verlieren wollen, müssen sie stehen. Im Zweifel um den Preis ihrer politische­n Karriere.

„Jetzt hat die Frage der Gebietsref­orm alle Menschen erreicht. Bisher war vielen die Dsl-versorgung wichtiger.“

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Zahlreiche Nordhäuser Unternehme­r und Kommunalpo­litiker, darunter die Landtagsab­geordneten der rot-rot-grünen Regierung, Mitteldorf und Becker, kämpfen für den Kreissitz Nordhausen.
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Thomas Müller
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