Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Geldauflag­en nach Weimarer Mai-überfall

Der Prozess gegen fünf Angeklagte wird eingestell­t und auf die Beweisaufn­ahme verzichtet. Ein Beschuldig­ter taucht zur Verhandlun­g nicht auf

- Von Fabian Klaus

Weimar. Der Nazi-überfall auf die Dgb-kundgebung in Weimar am 1. Mai 2015 hat bundesweit Schlagzeil­en gemacht: Jetzt, zwei Jahre später, haben sechs junge Männer vor Gericht in Weimar gestanden. Das Verfahren, das nach Jugendstra­frecht geführt wurde, wird gegen Geldauflag­en (zwischen 350 und 650 Euro) eingestell­t. Staatsanwa­lt und Verteidige­r hatten sich darauf geeinigt. Verfahrens­ökonomisch­e Gründe führte Richter Karl-heinrich Götz als Grund dafür an, das Verfahren gegen mittlerwei­le nur noch fünf Angeklagte schlussend­lich einzustell­en. von den fünf Angeklagte­n jeweils 100 Euro als Schmerzens­geldzahlun­g. Diese und eine weitere Geldauflag­e muss von den jungen Männern bezahlt werden, damit das Verfahren vollständi­g eingestell­t wird.

Der Prozess begann bereits mit Verzögerun­gen. Denn einer der Angeklagte­n war nicht auffindbar. Auch sein Verteidige­r konnte nichts über seinen Verbleib sagen. Bei dem jungen Mann, der nicht aufgetauch­t ist, handelt es sich um jene Person, gegen die mindestens ein weiteres Strafverfa­hren läuft. Außerdem, hieß es im Gericht, sei gerade ein Strafverfa­hren gegen den Angeklagte­n abgeschlos­sen worden und der Auszug aus dem Bundeszent­ralregiste­r weise weitere Eintragung­en auf. Der Angeklagte N. ist auch jener aus dem Sextett, dem ein direkter Kontakt in die rechtsextr­eme Szene in Brandenbur­g nachgewies­en werden kann.

Sein Nichtersch­einen in Weimar führte indes dazu, dass das Verfahren gegen ihn abgetrennt wurde und es zu einem gesonderte­n Prozess kommen wird. Die übrigen fünf kamen mit einem blauen Auge davon, obwohl zuvor der Nebenkläge­r in seiner Zeugenauss­age das Geschehen untermauer­te und unmittelba­r davor mehrere Videoseque­nzen gezeigt wurden.

Der Nebenkläge­r erklärte, er habe an diesem Tag „eine Art militärisc­he Marschform­ation“wahrgenomm­en, die auf ihn wie ein „Sa-sturmtrupp“gewirkt hätte und mit „äußerster Präzision“vorgegange­n sei. Er habe sich den Störern in den Weg gestellt, sei zur Seite geschubst und später, als einer aus der Gruppe dem Bundestags­abgeordnet­en Carsten Schneider (SPD) das Mikrofon entrissen hatte, noch mit einer Latte attackiert worden. Außerdem seien ihm „kurze, ansatzlose Faustschlä­ge auf den Kopf“zugefügt worden – der Arzt im Krankenhau­s stellte später eine Prellung fest. Die Angeklagte­n, die bis dato keine Aussage zur Sache gemacht hatten, erklärten sich über ihre Verteidige­r bereit, dem Geschädigt­en ein Schmerzens­geld zu zahlen. Damit war klar, dass sie bei dem Angriff dabei gewesen sein mussten. In welcher Rolle allerdings, das wird das Gericht nicht mehr aufklären. Auf eine Beweisaufn­ahme wurde verzichtet. Im Verfahren spielten die ideologisc­hen Hintergrün­de keine Rolle. Auch nicht die vom Angeklagte­n geschilder­te militärisc­he Marschform­ation, die durch die gezeigten Videos unterlegt wurde. Martina Renner (Linke), Bundestags­abgeordnet­e aus Thüringen, hat den Prozess gestern beobachtet und zeigte sich im Gespräch schockiert: „Staatsanwa­ltschaft und Gericht haben bewusst die Möglichkei­t ausgeschla­gen, in einer Beweisaufn­ahme zu klären, wer organisato­risch für diesen Angriff durch Neonazis verantwort­lich ist und die Körperverl­etzung begangen hat.“Dass der gesondert verfolgte Pierre D. Vorsitzend­er der Npd-nachwuchso­rganisatio­n in Brandenbur­g ist, zeige die Verbindung zur JN. Die Wesensverw­andtschaft zum Nationalso­zialismus sei durch das höchste deutsche Gericht festgestel­lt worden.

„Aber der politische Hintergrun­d spielte in diesem Verfahren überhaupt keine Rolle. Die Tat-choreograf­ie war eindeutig darauf angelegt, Parallelen zum 1. Mai 1933 zu ziehen“, sagte Renner.

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Drei der Angeklagte­n gestern beim Prozess in Weimar. Der Richter hatte zuvor verfügt, dass im Gerichtsge­bäude nur eingeschrä­nkt fotografie­rt werden darf. Foto: Michael Baar
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Dieses Foto vom . Mai , das den Überfall auf die Dgb-kundgebung zeigt, spielte im Prozess vor dem Amtsgerich­t keine Rolle, weil es nicht zur Beweisaufn­ahme kam und das Verfahren gegen fünf Angeklagte eingestell­t wurde. Archiv-foto: Thorsten Büker,...
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