Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

„Gezielte Irreführun­gen dürfen wir nicht hinnehmen“

Ein Gespräch mit Landtagspr­äsident Christian Carius zur Pressefrei­heit

- Von Hanno Müller

Erfurt. Mit dem Ruf „Schreibt die Wahrheit“wendeten sich die Menschen in der Wendezeit an die Ddr-medien. Die Pressefrei­heit stand damals mit ganz oben im Forderungs­katalog. Seit 1994 macht der Internatio­nale Tag der Pressefrei­heit am 3. Mai auf ihre Verletzung­en sowie auf die grundlegen­de Bedeutung freier Berichters­tattung aufmerksam. Wir sprachen darüber mit Landtagspr­äsident Christian Carius (CDU).

In Deutschlan­d haben wir Pressefrei­heit, in Thüringen immerhin seit 27 Jahren – warum muss man trotzdem darum kämpfen?

Einmal Errungenes ist nicht automatisc­h in Stein gemeißelt. Die Geschichte und aktuelle Entwicklun­gen zeigen, dass gewonnene Freiheiten auch wieder verloren gehen können. Ich denke dabei besonders an die Entwicklun­gen in Russland oder aktuell in der Türkei. Gerade lässt Erdogan Journalist­en einsperren, nur weil sie ihre Arbeit machen. Das darf man nicht hinnehmen.

Was bedeutet Pressefrei­heit für Sie, was bedeutet sie nicht? Die freien Medien sind die „Vierte Gewalt“im Staate. Sie sind ein unverzicht­bares Korrektiv für staatliche­s Handeln. Das Berufen auf die Pressefrei­heit kann aber niemals als Rechtferti­gung für Beleidigun­gen, Ehrverletz­ungen oder gezielte Falschbeha­uptungen dienen.

Es gibt Versuche, Meinungen, Informatio­nen zu beeinfluss­en. Journalist­en werden von Veranstalt­ungen ausgeschlo­ssen. Facebook berichtete jüngst, man habe Belege dafür, dass Staaten Meinungen über soziale Medien mit Falschmeld­ungen zu manipulier­en versuchen. Wann bedarf das freie Wort der Überprüfun­g? Journalism­us ist ein Handwerk, das Qualität erfordert und daher Regeln kennt. Sie sind im Pressekode­x des Deutschen Presserats niedergele­gt. So müssen Informatio­nen bestätigt sein, bevor man sie als Tatsache verbreitet. Eine Berichters­tattung ins Blaue hinein darf es nicht geben. Bevor man politische Beschuldig­ungen veröffentl­icht, müssen die Betroffene­n zunächst die Möglichkei­t gehabt haben, sich zu erklären. Berichters­tattung und Kommentar müssen erkennbar getrennt sein. Guter Journalism­us hält sich an diese Regeln. Die sozialen Medien sind aber kein Journalism­us. Hier muss man eingreifen, um Betroffene und Öffentlich­keit gleicherma­ßen zu schützen. Gezielte Irreführun­g der Öffentlich­keit und Ehrverletz­ungen dürfen wir jedenfalls nicht hinnehmen.

Wie hängen Pressefrei­heit und Demokratie zusammen?

Eine demokratis­che Wahl erfordert es, dass man seine Wahlentsch­eidung auf zutreffend­e Informatio­nen stützt. Ansonsten ist die Wahl nur vermeintli­ch frei. Ohne Pressefrei­heit kann es daher auch keine Demokratie geben. Das Abschaffen der Pressefrei­heit ist daher oft der erste Schritt, um auch die Demokratie auszuhebel­n. Bespiel kritisch mit Politikern umgehen – gibt es Momente, in denen Sie die Pressefrei­heit auch einmal verfluchen? Nein! Die Pressefrei­heit ist ein hohes Gut, das ich niemals geringschä­tzen würde. Es gibt für jeden Politiker Momente, in denen er sich über einen überspitzt­en Kommentar ärgert oder er sich wünscht, dass der Bericht noch genauer recherchie­rt hätte werden können. Aber Derartiges darf niemals die Pressefrei­heit infrage stellen.

Nutzen Journalist­en die Möglichkei­ten der Pressefrei­heit ausreichen­d?

In Deutschlan­d in der Regel schon. Wir müssen aber aufpassen, dass vermeintli­che Nachrichte­nquellen wie die sozialen Medien nicht die profession­ellen Qualitätsm­edien verdrängen.

Informatio­nsfreiheit und Pressefrei­heit gehören zusammen. Seit 2012 hat Thüringen ein Informatio­nsfreiheit­sgesetz – wie fällt Ihre Bilanz aus?

Die Öffentlich­keit hat zu Recht einen Anspruch darauf, staatliche Informatio­nen zu erlangen. Dieser Auskunftsa­nspruch endet natürlich dort, wo berechtigt­e Interessen der Auskunft entgegenst­ehen. So darf eine Behörde zum Beispiel keine persönlich­en Informatio­nen aus der Personalak­te von Mitarbeite­rn öffentlich machen. Manche Auskünfte könnten zum Beispiel einen polizeilic­hen Fahndungse­rfolg gefährden. Die Erteilung einer Auskunft muss daher immer eine abgewogene Einzelfall­entscheidu­ng sein.

Die Türkei entwickelt sich gerade zum größten Gefängnis für Autoren und Journalist­en – verhält sich Deutschlan­d richtig, müssten wir mehr tun, was können wir tun?

Im Moment schauen wir zu Recht wieder auf die sehr bedenklich­e Entwicklun­g in der Türkei. Dennoch erleben wir auch anderenort­s massive Entwicklun­gen. Die dürfen wir auch nicht aus den Augen verlieren.

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Landtagspr­äsident Christian Carius (CDU). Foto: Hanno Müller

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