Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Tatort Schöppingen war nicht geplant
hat unfreiwillig die Kripo bei der Arbeit erlebt
Münster, spielt dort nicht der „Tatort“mit Axel Prahl und Jan Josef Liefers? Ein kalter Wind weht über den sonnigen Markt am Dom. Beim Großen Kiepenkerl sitzt ein stämmiger Mann mit Lederjacke – nein, nicht Kommissar Thiel. Der Herr im schnieken Anzug dort könnte Professor Boerne sein. Zielstrebig eilt er auf einen Eckladen zu, der mir bekannt vorkommt: „Antiquariat Solder“steht auf dem Schild über dem Eingang, das regelmäßig mit „Wilsberg“überklebt wird.
Zu spät. Bis vorgestern wurde im Antiquariat für die nächste Folge der beliebten Fernsehserie gedreht. Georg Wilsberg alias Leonard Lansink ist längst wieder abgereist.
Aber in der Nacht zum 29. April waren wir genau richtig. Unseligerweise, denn was wir im etwa 30 Kilometer von Münster entfernten Schöppingen erlebten, hatte mit Tv-unterhaltung nichts zu tun. Oder im negativen Sinne doch? Wir wurden unfreiwillig Zeugen eines Kriminalfalls, der durchaus in die Reihe „Aktenzeichen XY... ungelöst“gehört.
Es war schrecklich und kurios zugleich. Schrecklich für unsere Gastgeber, die seit elf Jahren ungestört in ihrem hübschen Holzhaus am Rand der Siedlung wohnten.
An jenem Abend las ich im Saal des Künstlerhofes Geschichten über Dinge, die wir vermissen werden. Anschließend saßen wir noch ein Stündchen am Kamin, ehe wir zurückfuhren. Schon im Flur sah man aufgerissene Schubkästen. Alle Stuben- und Schranktüren standen sperrangelweit offen, und es zog durch die aufgehebelte Terrassentür.
Unsere Gastgeber stürzten vom Essins Wohnzimmer, eilten die Treppe zu den Schlafräumen hinauf. Überall hatten die Einbrecher Spuren der Verwüstung hinterlassen. Das Furchtbarste war noch nicht mal, dass aller Schmuck, darunter sehr persönliche Andenken, verschwunden war. Das Furchtbarste war, dass jemand gewaltsam in ihre Intimsphäre eingedrungen war. Diese Vorstellung bekommt man nie mehr aus dem Kopf.
Ob die Einbrecher vielleicht besoffen waren, will ich von der Spurensicherung wissen. – Wieso? – Na ja, sage ich, an der Garderobe hing meine Jacke. Ich war nur mit Jackett bei der Lesung und hatte alles hiergelassen: Kreditkarte, Bargeld, Ausweise, sogar den Autoschlüssel. Sie haben es nicht gefunden.
Nein, dies seien Profis gewesen, widerspricht der Kripobeamte. In der Garderobe konnte nichts sein, denn wer aus dem Haus gehe, nehme seine Wertsachen mit. Der Dilettant bin demnach ich.
Ich versuche noch einen Anlauf. Auf meinem Autoschlüssel steht „Ford“, wieso haben sie den Wagen, der vor der Haustür geparkt war, nicht mitgenommen? – Er wolle mir ja nicht zu nahe treten, meinte der Beamte, aber Ford gehöre nicht zu ihren bevorzugten Marken.