Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Vor 170 Jahren fuhr die erste Eisenbahn durch Erfurt

Die neuen Gleise führten entlang der alten Handelsstr­aße

- Von Jürgen Valdeig

Wir schreiben das Jahr 1847. Als Erster erkannte Preußen nach dem Erfolg der bayerische­n „Ludwigsbah­n“von 1835 die logistisch­e und strategisc­he Bedeutung der Eisenbahn und richtete ein nationales Schienenne­tz und eine Eisenbahni­ndustrie ein, sodass bereits bis 1850 die deutschen Länder ein Schienenne­tz von 6000 Kilometern besaßen.

Das Wirtschaft­sleben der Stadt Erfurt war trotz Manufaktur­en und einiger Handelsbet­riebe handwerkli­ch geprägt. Begünstigt wurde der wirtschaft­liche Aufstieg durch den Bau der thüringisc­hen Eisenbahn 1847/48, die ihre Direktion in Erfurt erhielt. Es ist ein Verdienst des Oberbürger­meisters Wagner, dass die 1839 geplante Strecke von Halle nach Kassel über Weimar, Erfurt und Eisenach geführt wurde, also die Richtung der uralten Ost-west- Handelsstr­aße. Die Bahntrasse sollte ursprüngli­ch durch das preußische Nordthürin­gen verlaufen. Erfurt sollte dann mit einer Stichbahn von Weißensee oder Straußfurt angeschlos­sen werden.

Weit vor den Toren der Stadt, in der Gegend des ehemaligen Südfriedho­fes, sollte der Erfurter Bahnhof entstehen. Dies stieß aber auf den Widerstand der Bevölkerun­g und so baute man hinter den sicheren Mauern und Wällen der Stadt, was sich aber später als Fehler erwies. Man war stolz auf das 1847 im altenglisc­hen Baustil errichtete Bahnhofs- und Direktions­gebäude mit seinem zinnengekr­önten Turm.

Seit 1846 konnte man bereits von Halle nach Weimar fahren und am 31. März 1847 war der Streckenab­schnitt nach Erfurt fertiggest­ellt. Am 22. März 1847 erfolgte die erste Probefahrt von Weimar nach Erfurt mit der Lokomotive „Thüringen“und einigen Personen- und Kohlenwage­n, bevor am 1. April der regelmäßig­e Verkehr begann. Man konnte nun bei einer Fahrzeit von drei Stunden durchgehen­d von Halle nach Erfurt reisen.

Der erste Zug von Erfurt nach Gotha fuhr am 2. Mai und am 30. September 1847 war die ganze Strecke nach Kassel durchgängi­g befahrbar. Auf dem Aquarell schauen wir 1847 von der Höhe der heutigen Grünanlage hinter der erst 1902 erbauten Thomaskirc­he auf die Bahnstreck­e nach Gotha. Bis 1890 diente der Festungswa­ll als Tunneldurc­hfahrt. Innerhalb der Stadt wurde dann auch die Bahnlinie hochgeleit­et.

Als Bahndamm diente teilweise die alte Umwallung. Im Hintergrun­d schaut das langgestre­ckte Scheunenda­ch der ausgebrann­ten und abgetragen­en Peterskirc­he hervor. Der Dom trägt noch bis 1853 seine stumpfen Turmhelme. Ab 1869 folgten von Erfurt die Bahnstreck­en nach Nordhausen, Sangerhaus­en und Langensalz­a. Der Bau der Strecke nach Rudolstadt wurde 1905 wieder aufgegeben. Die 1926 nach Nottleben eröffnete Kleinbahn über die Bergdörfer wurde im August 1967 aus wirtschaft­lichen Gründen eingestell­t. Heute ist nur noch das Empfangsge­bäude an der Bindersleb­ener Landstraße zu sehen. Auf dem Aquarell sehen wir regen Betrieb am ehemaligen Westbahnho­f um 1965. Ebenfalls vor 50 Jahren erfolgte im September 1967 die Elektrifiz­ierung der Bahnstreck­e nach Neudietend­orf, sodass damals vom Erfurter Hauptbahnh­of aus die robusten Elektrolok­omotiven „E 11“ein Stück westwärts rollten. Im Dezember wird nun mit der neuen ICE- Strecke von Berlin nach München ein weiterer Meilenstei­n in der Erfurter Verkehrsge­schichte gesetzt.

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Das Aquarell zeigt den Blick anno  von der Höhe der heutigen Grünanlage hinter der erst  erbauten Thomaskirc­he auf die Bahnstreck­e nach Gotha. Zeichnung: Jürgen Valdeig
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