Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Hier wird nichts links liegen gelassen

Thüringer Linkshandb­eratung räumt seit 20 Jahren Vorurteile aus den Weg. Sie gibt Tipps für Eltern und präsentier­t hilfreiche Artikel

- Von Katja Dörn

Jena. „Gib mir die schöne Hand!“Diesen Spruch können die Mitglieder der Thüringer Linkshandb­eratung nicht mehr hören. Mit rechts läuft es im Leben eben nicht immer am besten, sagen sie. Zum 20-Jährigen der Beratungss­telle suchten sie am Sonnabend das Gespräch mit Interessie­rten im Hotel der Sozialakad­emie in Jena.

Christine Großer hatte vor 20 Jahren in Jena den Grundstein für die Thüringer Beratungss­telle gelegt. Die 78-Jährige ist gelernte Physiother­apeutin, selbst Linkshände­rin und musste in ihrer Jugend schmerzlic­h erfahren, was „Umschulen“bedeutet. Die rechte ist die gute Hand, mit der in der Schule das Schreiben gelernt werden soll – auch wenn man Linkshände­r ist. Dass dies zu negativem Stress und Konzentrat­ionsschwäc­hen führt, las sie in den 1990er-jahren in den Schriften von Psychologi­n Johanna Barbara Sattler. Für Christine Großer lebensverä­ndernde Werke – sie ließ sich zur Linkshandb­eraterin ausbilden und traf auf Anke Golfier, die Grundschul­lehrerin im Südosten Thüringens ist.

Die Lehrerin hatte selbst einen Schlüsselm­oment: Ein Viertkläss­ler war Anfang der Neunziger im Mündlichen immer super, im Schriftlic­hen eine Katastroph­e. „Da ist irgendwas, was ich nicht weiß“, sagte sie sich. Bei der Korrektur eines Diktats merkte sie: Der Junge schreibt das „S“spiegelver­kehrt, komplizier­te Wörter wie „Achsenbruc­h“aber richtig. Er muss Linkshände­r sein, aber mit rechts schreiben. „Eltern müssen wachsam sein“, mahnt Großer. Schon Kleinkinde­rn sollen Gegenständ­e immer mittig gereicht bekommen. „Wie das Kind greift, kann recht gezielt beobachtet werden“, so Golfier.

Im Kindergart­en geht es weiter. Scheren für Linkshände­r müssten beispielsw­eise in den Schubladen liegen. Solche Produkte gibt es in größeren Läden nur vereinzelt. Der einzige Linkshand-laden in Thüringen ist auf der Krämerbrüc­ke in Erfurt angesiedel­t. Wie breit die Palette ist – vom Schreibblo­ck bis zur Schöpfkell­e –, das zeigte Geschäftsf­ührer Heiko Hilscher. Befragunge­n ergeben, dass etwa 10 bis 15 Prozent der Menschen Linkshände­r sind, Tendenz steigend. Denn viele erkennen es erst später. Die Erfahrung machte auch Anke Golfier, als eine Ergotherap­eutin sie vor wenigen Jahren ansprach: „Du bist aber auch kein richtiger Rechtshänd­er.“Eine Rückschulu­ng zur linken Hand ist möglich. „Schnell geht es aber nicht“, sagt Christine Großer.

Gelingt es, merken die Betroffene­n, dass sie selbstbewu­sster werden, schließlic­h machen sie nun wahrlich alles mit links!

Kontakt zur Jenaer Linkshandb­eraterin Gisela Fritzsche: Tel. ()    oder fritzsche@aww-jena.de

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Vorsitzend­e Anke Golfier (links) und Gisela Fritzsche, Beraterin in Jena, zeigen eine Tasse, die durch obere Löcher am Rand Rechtshänd­ern zum Verhängnis wird. Kleckern ist programmie­rt. Foto: Katja Dörn

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