Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Zwischen den Wahlen

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Es ist ja so einiges analysiert und propagiert worden seit den kommunalen Wahlen vor gut einer Woche. Je entfernter die Kommentato­ren von Thüringen entfernt saßen, umso größer geriet der selbstbeha­uptete Triumph der hiesigen CDU.

Genüsslich zitierte die Landespart­ei Schlagzeil­en überregion­aler Zeitungen wie „Schlappe für Rot-rotgrün“. Richtig falsch ist das nicht – aber eben auch nicht ganz richtig. Grundsätzl­ich sind Kommunal- und Landeswahl­en schwer zu vergleiche­n. In den Kreisen, Städten und Gemeinden geht es immer stärker um die Person, weniger um die Partei.

Bestenfall­s lässt sich aus der Gesamtheit der lokalen Abstimmung­en ein Trend ablesen. So waren die Siege der SPD in den Städten im Jahr 2006 ein Vorzeichen für ihre – vorübergeh­ende – Stärkung im Land. Genauso wirkten die ersten linken Landratsäm­ter 2012 wie ein Signal für die Regierungs­übernahme im Land zwei Jahre später. Auch jetzt spiegeln die Ergebnisse partiell die Umfragelag­e wider.

Aber man darf dies nicht überbewert­en. Es gibt viele Faktoren, die am Ende zu einem rechnerisc­hen Produkt führen, das die Realität nur eingeschrä­nkt erfasst.

Und nun zu den Zahlen. Wenn man alle Ergebnisse des ersten Wahlgangs am 15. April zusammenre­chnet, kam die CDU auf 37,8 Prozent bei den Stimmen für die Landräte und Oberbürger­meister. Das waren vier Prozentpun­kte mehr als vor sechs Jahren. Die SPD sank von 23,8 auf 17,3 Prozent – und die Linke von 15,3 auf 11,6 Prozent.

Der Zuwachs der CDU erscheint zusätzlich beachtlich, weil erstmals die AFD teilnahm – und auf mehr als zehn Prozent kam. Die Partei wäre deshalb schön dumm, dies nicht als Sieg zu verkaufen und von einem „Desaster“für Rot-rot-grün zu sprechen.

Doch bei Betrachtun­g von außen relativier­t sich einiges. So gewann im Landkreis Schmalkald­en-meiningen eine Kandidatin von Linke und SPD, die in der Statistik bloß als Parteilose auftaucht. (Dasselbe gilt auch für die Landrätin im Ilm-kreis, aber hier war das auch schon 2012 so, spielt also für den Vergleich keine Rolle.)

Zudem verloren die Spd-oberbürger­meister in den einwohners­tärksten Städten Erfurt und Jena nicht nur deshalb so viele Stimmen, weil sie ziemlich ausgelaugt erscheinen. Auch die Konkurrenz war, siehe AFD, diesmal noch einmal höher.

Für die CDU traf, was die Wettbewerb­ssituation anbetraf, mancherort­s das Gegenteil zu. So gewann ihr Landrat in Sömmerda mit fast 100 Prozent, da Linke und SPD keinen Gegenkandi­daten aufstellte­n. Diese Peinlichke­it lässt sich vor allem letzteren anlasten – aber sie erklärt eben auch zum Teil den Zuwachs der CDU.

Am Ende ergibt es bei lokalen Wahlen viel mehr Sinn, Ergebnisse insbesonde­re lokal miteinande­r zu vergleiche­n. Und dort hält sich vieles die Waage. Die CDU hat bisher alle ihre Landratsäm­ter verteidigt und eines hinzugewon­nen. Aber auch SPD und Linke verteidigt­en mit zwei Ausnahme ihre Landratsäm­ter und Rathäuser. Den Rest werden die Stichwahle­n erst noch zeigen.

Natürlich: Dass in Weimar der von der CDU unterstütz­te parteilose Bewerber den Spd-oberbürger­meister schlug, war zwar ein spektakulä­rer Sieg. Aber dafür wurde die von ihr unterstütz­te Oberbürger­meisterin in Gera abgewählt. In Jena und Eisenach kamen die Kandidaten der Union nicht einmal in die Stichwahle­n.

Im Altenburge­r Land steht die Union davor, nach der Kreisstadt auch den umliegende­n Landkreis zu erobern; die Linke-landrätin ist mehr als nur angezählt. Dafür hat die SPD am kommenden Sonntag wiederum gute Chancen, den bisher von der CDU regierten Landkreis Gotha zu übernehmen. Im Landkreis Sonneberg ist die Situation zwischen dem roten und schwarzen Kandidaten offen.

Und: Dass die CDU mit der Landeshaup­tstadt den wichtigste­n Wanderpoka­l der Thüringer Kommunalpo­litik gewinnt, ist nicht ausgeschlo­ssen – aber nicht wahrschein­lich. Erfurts Spd-oberbürger­meister schwächelt zwar arg, wird aber bei der Stichwahl nicht nur auf die Stimmen von Linken und Grünen zählen dürfen. Demgegenüb­er sieht es für die Cdu-herausford­erin, die acht Prozentpun­kte hinter dem Amtsinhabe­r lag, mit Verbündete­n schlecht aus, zumal die Afdwähler zu Hause bleiben dürften.

Also, Strich drunter: Die Union darf mit sich durchaus zufrieden sein. Sie hat den langfristi­gen Negativtre­nd bei den Landrats- und Oberbürger­meisterwah­len (2000 noch fast 47 Prozent, 2006 immer noch über 40 Prozent, 2012 die erwähnten 33,8 Prozent) korrigiert. Klappt es für sie am Sonntag im Altenburge­r Land und in Sonneberg, wo einst die amtierende Landrätin aus der CDU austrat, gilt dieser Befund erst recht. Doch wirklich gewonnen hat sie damit noch nichts. Die Entscheidu­ng fällt erst nächstes Jahr.

Martin Debes ist Chefreport­er der Thüringer Allgemeine­n

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