Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Höchste Niederlage in der 3. Liga: Selbstauflösung bei Rot-weiß
Beim 0:6 gegen Großaspach ist das Spiel bereits zur Pause entschieden. Kapitän Möckel überraschend nicht im Kader
Erfurt. Als in der 55. Minute Shqiprim Binakaj mit einem straffen Rechtsschuss das 0:5 erzielte, hatten sogar die Treuesten der Treuen genug. Die Erfurter Ultras, welche ihr Team in den letzten Wochen trotz des feststehenden Abstiegs immer wieder unterstützten und es auch in diesem Spiel taten, rollten ihre Fahnen und Banner ein und verließen weit vor Abpfiff das Stadion. Die verständliche Reaktion stellte neben dem Endergebnis die zweite Höchststrafe dar, die der FC Rot-weiß am Samstag einsteckte.
„Ich kann das nachvollziehen“, sagte Torwart Philipp Klewin, der als einer der Letzten in die Kabine lief. Seine Körpersprache sprach Bände. Wie geprügelte Hunde verschwanden die Rot-weißen in den Katakomben, Merveille Biankadi etwa dermaßen schnell, dass sogar noch das Schiedsrichter-trio auf dem Platz stand. Für die zum Einsatz gekommenen A-junioren wie Hans Oeftger, Tobias Kraulich, Ben Moritz oder Marc Fleischhauer glich die Demütigung auf dem Platz einer sehr bitteren Erfahrung für‘s Leben. Sie gingen mit dem Rest unter und hatten wie die Mitspieler Glück, nicht in die Geschichtsbücher der 3. Liga eingegangen zu sein – in negativer Hinsicht, wohlgemerkt.
Das 0:6 bedeutete nicht nur die höchste Niederlage des FC Rot-weiß in seiner Dauerzugehörigkeit zur 3. Liga. Nur Bremen II (1:7 in Paderborn/10. Oktober 2017) und der FC Carl Zeiss Jena, der am 11. August 2010 mit 0:7 gegen Saarbrücken verlor, bezogen höhere Klatschen. Ein schwacher Trost im Rahmen eines Spiels, bei dem der Zuschauer nicht das Gefühl hatte, dass die Akteure auf dem Rasen an ihre Leistungsgrenzen gingen. „Klar ist die Situation nicht einfach und wir bekommen nicht das volle Gehalt. Aber ich lasse mich trotzdem nicht gerne 6:0 abschlachten. Wenn ich nach dem Spiel nach Hause komme, möchte ich meiner Frau in die Augen schauen können. Das kann ich jetzt nicht“, befand Klewin, der mit seinem Bock den Gästen das vorentscheidende 3:0 schenkte. Er vertändelte den Ball an Sebastian Bösel, der ins leere Tor einschob (38.). „Das war für die Vorderleute ein Nackenschlag“, gab Klewin zu.
An der peinlichen Gesamtvorstellung änderte dies aber nichts. Wie einfach die Großaspacher zu ihren Toren (Röttger/5., Thermann/28. Foulelfmeter, Fehr/41., Baku/70.) kamen und die Erfurter entblößten, hatte mit Profifußball nicht viel zu tun. „Das war ein Spiel, was wir nicht für möglich gehalten haben. Viele haben das, was jetzt passiert, schon viel früher erwartet. Ich habe es gar nicht erwartet, weil ich immer wieder den Anspruch an meine Spieler habe, mit der bestmöglichen Einstellung ins Spiel zu gehen“, haderte Trainer Stefan Emmerling.
Überraschend hatte der 52Jährige den nach Gelbsperre wieder zur Verfügung stehenden Kapitän Jens Möckel außen vor gelassen und nicht einmal in den Kader berufen. „Wir hatten gesagt, dass wir jungen Spielern die Möglichkeit geben wollen, Erfahrungen zu sammeln. Die jungen Spieler sehen, dass es noch ein sehr weiter Weg ist“, begründete Emmerling seine Entscheidung. Möckel selbst wollte sich zur Situation nicht äußern.
Das junge Innenverteidigerduo um Charalampos Chantzopoulos und Tobias Kraulich wirkte wie der Rest überfordert. Ein Stemmen gegen die Niederlage blieb aus. Von den Führungsspielern sah sich keiner in der Lage, wenigstens mal ein Zeichen zu setzen. Wie gegen Chemnitz kam die Mannschaft als Kollektiv unter die Räder.
„Ich kann nur für mich sprechen, aber ich möchte nächstes Jahr noch weiter Fußball spielen. Wenn wir so weiterspielen, dann findet keiner einen neuen Verein“, übte Klewin Kritik. Emmerling blickte voraus: „Das ist für mich die größte Herausforderung als Trainer, jetzt für die letzten drei Spiele mit der Mannschaft eine Vereinbarung zu treffen, dass wir uns vernünftig aus der Liga verabschieden.“
Möglicherweise aber ohne die Unterstützung vieler Fans.
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