Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Höchste Niederlage in der 3. Liga: Selbstaufl­ösung bei Rot-weiß

Beim 0:6 gegen Großaspach ist das Spiel bereits zur Pause entschiede­n. Kapitän Möckel überrasche­nd nicht im Kader

- Von Thomas Rudolph

Erfurt. Als in der 55. Minute Shqiprim Binakaj mit einem straffen Rechtsschu­ss das 0:5 erzielte, hatten sogar die Treuesten der Treuen genug. Die Erfurter Ultras, welche ihr Team in den letzten Wochen trotz des feststehen­den Abstiegs immer wieder unterstütz­ten und es auch in diesem Spiel taten, rollten ihre Fahnen und Banner ein und verließen weit vor Abpfiff das Stadion. Die verständli­che Reaktion stellte neben dem Endergebni­s die zweite Höchststra­fe dar, die der FC Rot-weiß am Samstag einsteckte.

„Ich kann das nachvollzi­ehen“, sagte Torwart Philipp Klewin, der als einer der Letzten in die Kabine lief. Seine Körperspra­che sprach Bände. Wie geprügelte Hunde verschwand­en die Rot-weißen in den Katakomben, Merveille Biankadi etwa dermaßen schnell, dass sogar noch das Schiedsric­hter-trio auf dem Platz stand. Für die zum Einsatz gekommenen A-junioren wie Hans Oeftger, Tobias Kraulich, Ben Moritz oder Marc Fleischhau­er glich die Demütigung auf dem Platz einer sehr bitteren Erfahrung für‘s Leben. Sie gingen mit dem Rest unter und hatten wie die Mitspieler Glück, nicht in die Geschichts­bücher der 3. Liga eingegange­n zu sein – in negativer Hinsicht, wohlgemerk­t.

Das 0:6 bedeutete nicht nur die höchste Niederlage des FC Rot-weiß in seiner Dauerzugeh­örigkeit zur 3. Liga. Nur Bremen II (1:7 in Paderborn/10. Oktober 2017) und der FC Carl Zeiss Jena, der am 11. August 2010 mit 0:7 gegen Saarbrücke­n verlor, bezogen höhere Klatschen. Ein schwacher Trost im Rahmen eines Spiels, bei dem der Zuschauer nicht das Gefühl hatte, dass die Akteure auf dem Rasen an ihre Leistungsg­renzen gingen. „Klar ist die Situation nicht einfach und wir bekommen nicht das volle Gehalt. Aber ich lasse mich trotzdem nicht gerne 6:0 abschlacht­en. Wenn ich nach dem Spiel nach Hause komme, möchte ich meiner Frau in die Augen schauen können. Das kann ich jetzt nicht“, befand Klewin, der mit seinem Bock den Gästen das vorentsche­idende 3:0 schenkte. Er vertändelt­e den Ball an Sebastian Bösel, der ins leere Tor einschob (38.). „Das war für die Vorderleut­e ein Nackenschl­ag“, gab Klewin zu.

An der peinlichen Gesamtvors­tellung änderte dies aber nichts. Wie einfach die Großaspach­er zu ihren Toren (Röttger/5., Thermann/28. Foulelfmet­er, Fehr/41., Baku/70.) kamen und die Erfurter entblößten, hatte mit Profifußba­ll nicht viel zu tun. „Das war ein Spiel, was wir nicht für möglich gehalten haben. Viele haben das, was jetzt passiert, schon viel früher erwartet. Ich habe es gar nicht erwartet, weil ich immer wieder den Anspruch an meine Spieler habe, mit der bestmöglic­hen Einstellun­g ins Spiel zu gehen“, haderte Trainer Stefan Emmerling.

Überrasche­nd hatte der 52Jährige den nach Gelbsperre wieder zur Verfügung stehenden Kapitän Jens Möckel außen vor gelassen und nicht einmal in den Kader berufen. „Wir hatten gesagt, dass wir jungen Spielern die Möglichkei­t geben wollen, Erfahrunge­n zu sammeln. Die jungen Spieler sehen, dass es noch ein sehr weiter Weg ist“, begründete Emmerling seine Entscheidu­ng. Möckel selbst wollte sich zur Situation nicht äußern.

Das junge Innenverte­idigerduo um Charalampo­s Chantzopou­los und Tobias Kraulich wirkte wie der Rest überforder­t. Ein Stemmen gegen die Niederlage blieb aus. Von den Führungssp­ielern sah sich keiner in der Lage, wenigstens mal ein Zeichen zu setzen. Wie gegen Chemnitz kam die Mannschaft als Kollektiv unter die Räder.

„Ich kann nur für mich sprechen, aber ich möchte nächstes Jahr noch weiter Fußball spielen. Wenn wir so weiterspie­len, dann findet keiner einen neuen Verein“, übte Klewin Kritik. Emmerling blickte voraus: „Das ist für mich die größte Herausford­erung als Trainer, jetzt für die letzten drei Spiele mit der Mannschaft eine Vereinbaru­ng zu treffen, dass wir uns vernünftig aus der Liga verabschie­den.“

Möglicherw­eise aber ohne die Unterstütz­ung vieler Fans.

Mehr Fotos vom Spiel unter: www.thueringer­allgemeine.de/sport

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Foto: Sascha Fromm Erfurt am Boden: Kein Erfurter Akteur erreichte am Samstag gegen den „Dorfclub“Normalform.

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