Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Lauingers unfreiwill­iger Auftritt

Der Minister muss heute erstmals in der Affäre um seinen Sohn vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss aussagen

- Von Martin Debes

Erfurt. Es ist bald zwei Jahre her, da saß das Ehepaar Lauinger in einem Café in Erfurt, unweit des Landtags. Sie blickten in Kameras und Mikrofone.

Der grüne Justizmini­ster und seine Frau versuchten an jenem Tag im August 2016 zu erklären, warum es völlig in Ordnung war, dass ihr Sohn am Ende der 10. Gymnasialk­lasse nicht die gesetzlich­e vorgeschri­ebene Prüfung ablegte. Alles, sagten sie, sei von der Schule und der Behörde genehmigt worden: Der mehrmonati­ge Besuch einer Schule in Neuseeland und die Befreiung von der Prüfung.

Wenn es einen Skandal gebe, sagte Dieter Lauinger, dann habe er damit zu tun, dass das Bildungsmi­nisterium diese Genehmigun­g kassiere. Er selbst habe sich nichts vorzuwerfe­n – auch nicht die Beschwerde­anrufe im Ministeriu­m, die nach einigem Hin und Her zur Folge hatten, dass Ministerin Birgit Klaubert (Linke) ihre eigenen Fachabteil­ung überstimmt­e und der Schüler ohne Prüfung in die 11. Klasse versetzt wurde.

Die Spontanpre­ssekonfere­nz im Café verfolgt Lauinger bis heute. Denn er sagte damals an einigen Punkten die Unwahrheit, in anderen versuchte er, die Öffentlich­keit in die Irre zu führen. So stritt er auf Nachfrage explizit ab, mit dem Diensttele­fon über seine Sekretärin bei der Schulabtei­lung im Bildungsmi­nisterium angerufen zu haben. Auch fehlte in dem von ihm verteilten Verordnung­stext, der eine Prüfungsbe­freiung regelt, der Passus, der ihn belastete. Zudem spielte er seine Kontakte mit diversen Regierungs­mitglieder­n in dieser Sache herunter.

Manches davon stellte Lauinger kurz darauf vor dem Landtag und in einer Sondersitz­un der Fachaussch­üsse richtig. Zudem entschuldi­gte er sich.

Doch die Cdu-landtagsfr­aktion wollte alle Akten sehen und setzte, als dies die Landesregi­erung verweigert­e, einen Untersuchu­ngsausschu­ss durch. Heute nun müssen Lauinger und seine Frau erstmals vor dem Gremium in der Sache aussagen. Denn bisher hat der Ausschuss vor allem die umfangreic­he Aktenlage in Ministerie­n, Behörden und Schule sondiert und geprüft. Allein zu diesem Zweck wurden Dutzende Zeugen geladen – wobei hier schon einige, bisher nicht bekannte Details hinzu kamen.

Diese Details werden von der CDU so interpreti­ert, dass Lauinger bis zur endgültige­n Entscheidu­ng Klauberts Druck auf die Ministerin ausübte und ihr sogar die Ausnahmekl­ausel für das Zeugnis diktieren ließ. Diese Sicht wird durch die Aussage und damals angefertig­te Vermerke des Schulabtei­lungsleite­rs gestützt – aber durch Klaubert und andere Zeugen dementiert.

Doch darum dürfte es heute noch nicht gehen. Das Ehepaar Lauinger soll nur dazu befragt werden, wie es im Spätherbst 2015 dazu kam, dass die Schule den Auslandsau­fenthalt nebst Prüfungsbe­freiung des Ministerso­hns genehmigt. Auch hier stellen sich Fragen, selbst wenn diese sich womöglich leicht auflösen lassen. So sprach sich offenbar die Klassenkon­ferenz schon dafür aus, bevor ein formaler Antrag durch die Lauingers gestellt worden war.

Der Auftritt heute besitzt daher, falls nicht Unvorherse­hbares geschieht, vor allem symbolisch­e Bedeutung. Doch zuweilen ist in der Politik Symbolik mindestens genauso wichtig wie Substanz. Und nicht umsonst gelten Untersuchu­ngsausschü­sse als wichtigste­s Kampfinstr­ument der Opposition.

Die CDU kann sich also daran erfreuen, dass sie ausgerechn­et vor den Stichwahle­n einen Vertreter der rot-rot-grünen Landesregi­erung öffentlich­keitswirks­am vorführen kann. Und in großen Teilen der Koalition dürfte man sich darüber ärgern, dass sie dies zuließ. Und die richtigen Wahlkämpfe folgen ja erst noch.

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Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne). Foto: M. Schutt, dpa

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