Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Zschäpes Fehler
über langsame Fortschritte im Nsu-prozess
Endlich haben in München die Plädoyers der Verteidigung begonnen. Damit steigen die Chancen, dass im Nsu-prozess, der vor fast fünf Jahren begann, demnächst ein Urteil fällt.
Wobei „demnächst“realistisch heißt: In diesem Jahr.
An mehr als 400 Verhandlungstagen haben sich mittlerweile die etwa 100 Prozessbeteiligten versammelt. Als im vergangenen Sommer die Beweisaufnahme geschlossen wurde, waren 596 Zeugen und Sachverständige gehört sowie 248 Beweisanträge gestellt worden.
Hinzu kamen Dutzende Befangenheitsanträge, die ständig neu gestellt wurden – auch noch, nachdem Ankläger und Nebenkläger ihre Plädoyers gehalten hatten. Selbst die Richter in München, die sich sonst klugerweise mit Einschätzungen zurückhalten, sprachen von Prozessverschleppung.
Nun also geht es wieder vorwärts. Die gestrige Vorstellung von Beate Zschäpes Anwalt Borchert wirkte allerdings wenig überzeugend. Auf die Beweise und Zeugenaussagen, welche die Hauptangeklagte belasten, ging er kaum ein. Stattdessen attackierte er die Ankläger.
Der wichtigste Grund dafür dürfte der Umstand sein, dass Borchert erst in den Prozess einstieg, als Beate Zschäpe ihre drei bisherigen Verteidiger loswerden wollte. Damals war die Beweisaufnahme schon zur Hälfte vorbei. Die neuen Verteidiger hatten einen Großteil der Zeugen und Sachverständigen verpasst.
Der Wechsel der Anwälte – und der Strategie – war ein Fehler, den Zschäpe bei der Verkündung des Urteils bezahlen dürfte. Gestern ist man in München dem Tag der Entscheidung wieder etwas näher gekommen.