Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
„Opel muss ein Autobauer bleiben“
1400 Beschäftigte aller deutschen Standorte protestieren in Eisenach gegen Kürzungspläne des französischen Mutterkonzerns PSA
Eisenach. Der Streit zwischen den Beschäftigten und dem Management um die Zukunft von Opel wird jetzt auf der Straße ausgetragen. Bereits mehr als eine Stunde vor der geplanten Fortsetzung der in der Vorwoche unterbrochenen Betriebsversammlung im Werk Eisenach versammelten sich am Dienstag einige Hundert Opelaner vor dem Werkstor.
Beschäftigte der Werke in Kaiserslautern und Rüsselsheim waren mit Reisebussen in die Wartburgstadt gekommen, um ihre Kollegen im Kampf um den Erhalt ihrer Fabrik und ihrer Arbeitsplätze zu unterstützen. Aber auch Mitarbeiter des Opeltestzentrums in Dudenhofen (Hessen) und vom Opel-zentrallager in Bochum hatten sich mit ihren eigenen Autos auf den Weg nach Thüringen gemacht.
„Ja, es gibt uns noch“, sagte Murat Yaman vom Opel-lager in Bochum unter dem Beifall der versammelten 1400 Demonstranten. Man werde nach der Einstellung der Fahrzeugproduktion in Bochum zwar gerne einmal vergessen. „Aber als es um Lohnkürzungen ging, da hat man uns nicht vergessen“, versicherte Yaman.
Auch die rund 750 Beschäftigten des Standortes Bochum hätten nach dem Willen des Vorstands und des französischen Mutterkonzerns PSA auf die Lohnerhöhung um 4,3 Prozent zum 1. April verzichten sollen. Außerdem habe man das Urlaubs- und Weihnachtsgeld streichen wollen. Kürzungen von 3000 bis 4000 Euro im Jahr, rechnet ein Opelaner vor.
Forderung nach einem zweiten Modell
Unterdessen warnte Yaman die Eisenacher davor, sich mit der Fertigung eines Modelles mit einer Stückzahl von 70 000 im Jahr abspeisen zu lassen. Dann werde das Thüringer Werk das Schicksal von Bochum ereilen. „Uns hat man auch immer vorgehalten, dass wir nicht ausgelastet seien“, so Yaman. Daher unterstützten er und die Kollegen aus Bochum die Forderungen der Eisenacher nach einem zweiten Modell. „Dafür stehen wird hier“, so Murat Yaman.
Der Eisenacher Betriebsratschef Bernd Lösche dankte den Mitarbeitern der anderen deutschen Standorte für ihre Unterstützung. Gemeinsam kämpfe man um die Zukunft aller Standorte im Opel-konzern und werde sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.
Er erinnere Psa-konzernchef Carlos Tavares daran, dass er zugesagt habe, dass Opel ein deutsches Unternehmen sei und bleibe, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Er marschierte mit an der Spitze des Zuges, als um 13.44 Uhr die Opel-beschäftigten aus Eisenach zum Werkstor kamen. „Opel muss ein Autobauer bleiben und keine Verwertungsmarke“. forderte Ramelow. Man erwarte von PSA genaue Pläne zur Zukunft der Opel-standorte über das Jahr 2020 hinaus. Denn es gehe in Eisenach nicht nur um die Zukunft der 1800 Beschäftigten von Opel. „Auch die Mitarbeiter der Zulieferer, die Leiharbeiter, der Bäcker und der Metzger in Eisenach gehören zu Opel“, erklärte der Regierungschef. Es gehe um die Schicksale von Menschen, deshalb verlange man Verlässlichkeit und eine Perspektive.
Noch vor wenigen Wochen habe Opel-chef Michael Lohscheller das Eisenacher Werk bei der Feier zu dessen 25-jährigen Bestehen als wichtigen Standort für Opel gelobt. Es stehe als ein Zeichen für die deutsche Einheit, habe der Manager damals erklärt. Jetzt aber lege PSA die Axt an Opel an und beginne damit in Eisenach. Ramelow dankte den Fraktionschefs der Linken, der SPD, der Grünen und der CDU im Thüringer Landtag für ihr Erscheinen in Eisenach. „Wir alle sind Opel“, so Ramelow. Auch die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Opel-standorten zögen unabhängig von Parteizugehörigkeit an einem Strang.
Diese Unterstützung der Politik und der Öffentlichkeit sei in der Auseinandersetzung um die Zukunft von Opel enorm wichtig, bedankte sich Opel-gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-klug. Noch immer habe die Unternehmensführung in den Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretungen keine verlässlichen Zahlen auf den Tisch gelegt, beklagte der Betriebsratschef. Aber schon jetzt sei klar, dass Opel nach dem Einstieg Afd-vertreter um Fraktionschef Björn Höcke (. von links) wurden weit vor dem Werkstor abgedrängt und zur Umkehr gezwungen.
von PSA durch veränderte Einkäufe von Teilen, verringerte Materialkosten und andere Einsparungen auf dem Weg der Sanierung sei. „Wir können die geforderte Rendite von zwei Prozent im Jahr 2020 erreichen“, versicherte Schäfer-klug. Daher gebe es gar keine Basis für einen Pforzheim-antrag der Unternehmensleitung. In Pforzheim hatten die Tarifpartner in der Metall- und Elektroindustrie im Jahr 2004 ein Abkommen geschlossen, das regelt, unter welchen Voraussetzungen zeitweiliger Lohnverzicht zur Sicherung von Arbeitsplätzen möglich ist. „Zur Sanierung von
Opel sind keine Beiträge der Beschäftigten notwendig“, erklärte der Betriebsratschef.
Solange sich PSA weigere, die bestehenden Tarifverträge zu erfüllen, werde man auch keinen neuen Vertrag unterschreiben, so Schäfer-klug. Als Privatperson gehe man ja auch nicht zum Autohändler, der einem beim letzten Kauf betrogen habe, und versuche es dann noch einmal.
Die von der Unternehmensleitung bemängelte Kostensteigerung je Fahrzeug am Standort Eisenach sei der mangelnden Auslastung des Werkes geschuldet, erklärte der Betriebsratschef. Bei einer Vollauslastung des Werkes in drei Schichten und mit zwei Modellen seien die Eisenacher sehr schnell in der Lage, ihre Top-werte von rund 700 Euro je gefertigtem Fahrzeug wieder zu erreichen, zeigte sich Schäfer-klug überzeugt. „Wir halten uns an Verträge und erwarten dies von der anderen Seite auch“, bekräftigte Jörg Köhlinger, der Chef der Gewerkschaft IG Metall für Hessen, Rheinland-pfalz, das Saarland und Thüringen. Man lasse sich nicht erpressen, lehnte der Gewerkschafter die Forderungen nach einem Lohnverzicht der Beschäftigten als Voraussetzung für Investitionen in die Standorte ab.
In den Verhandlungen rede die Arbeitgeberseite nur noch über Kostenziele. Dabei gehe es in diesen Gesprächen nicht um Kennziffern, sondern um Schicksale und Existenzen. Deshalb erwarte man von den Verantwortlichen im Opel-management und bei PSA klare Aussagen zu den Plänen für die Zukunft der einzelnen Standorte. „Was soll wo und mit wie vielen Beschäftigten gebaut werden, das muss PSA verbindlich erklären“, verlangte Köhlinger.
Die mehr als 120 Jahre währende Tradition des Automobilbaus am Fuße der Wartburg seien durch eine Ein-schicht-fertigung nicht dauerhaft fortsetzbar. „Deshalb brauchen wir das zweite Fahrzeug, denn alles andere wäre der Tod auf Raten“, so Köhlinger.
„Wir brauchen auch in den kommenden Wochen eure ganze Kraft“, rief der Gewerkschafter den Opel-beschäftigten zu. Auch die Unterstützung der Öffentlichkeit sei unerlässlich. Allerdings könne man auf Besuch von der AFD verzichten. Deren Teilnahme an der Kundgebung verhinderten Demonstranten, in dem sie die ungebetenen Gäste weit vor dem Tor abdrängten.
Kostenanstieg durch geringe Auslastung