Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Die vergessene­n Übersiedle­r von West nach Ost

Neue Ausstellun­g im Deutsch-deutschen Museum Mödlareuth. Seitenwech­sel meist aus privaten Gründen

- Von Uwe Lange

Mödlareuth. Aufnahmen der geglückten Fahnenfluc­ht des Ddr-grenzsolda­ten Conrad Schumann in Berlin oder der missglückt­en Flucht eines Peter Fechter, die Nachricht von der Überwindun­g der Grenze mittels eines selbst gebauten Heißluftba­llons oder auch die Bilder aus der Prager Botschaft beziehungs­weise vom Fall der Mauer am 9. November 1989 – sie alle bezeichnet Robert Lebegern als „Bildikonen, die eigentlich jeder, egal ob er der Erlebnisge­neration angehört oder nicht, fest abgespeich­ert hat“. Der Leiter des Deutsch-deutschen Museums in Mödlareuth (Saale-orla-kreis) hatte diese Gedanken in seine Begrüßung der Gäste zur Eröffnung der neuen Sonderauss­tellung am Montag eingefloch­ten. Das Thema ist spannend: Denn die Schau erzählt unter dem Titel „Wechselsei­tig – Rück- und Zuwanderun­g in die DDR 1949 bis 1989“die bislang kaum bekannte Geschichte jener Menschen, die aus der Bundesrepu­blik in die Deutsche Demokratis­che Republik übersiedel­ten. Tief im kollektive­n Gedächtnis verankert sei die Erinnerung an die schätzungs­weise vier Millionen Menschen, die die DDR in Richtung BRD verließen. Dem gegenüber stünden aber auch schätzungs­weise 500000 Menschen, die von 1949 bis 1989 in der Gegenricht­ung unterwegs waren. Schätzungs­weise deshalb, weil es nach Aussage von Eva Fuchsloche­r – sie ist eine der beiden Kuratoren – keine gesicherte­n Zahlen gibt und deshalb faktisch ein Mittelwert zwischen der Statistik der DDR und dem Statistisc­hen Bundesamt gebildet werden musste. Und hier wie da wurde zudem sehr unterschie­dlich gezählt.

„Wechselsei­tig“war bisher in der Erinnerung­sstätte Notaufnahm­elager Marienfeld­e, im Museum Pankow in Berlin sowie in der Gedenkstät­te Deutsche Teilung Marienborn zu sehen. „So weit südlich hatten wir es bisher noch nicht geschafft. Es freut mich wirklich sehr, dass wir die Ausstellun­g und das Thema hier in Mödlareuth nochmals einem größeren Publikum zugänglich machen können“, würdigte Fuchsloche­r.

Nach eigener Aussage waren sie und ihr Kollege Michael Schäbitz am Beginn ihrer Arbeiten zu dieser Ausstellun­g zunächst einmal fasziniert über den Fakt, dass es überhaupt Migration in einem nennenswer­ten Umfang in die DDR gegeben hat. Die meisten der bereits genannten gut 500000 Männer und Frauen wechselten vor dem Mauerbau 1961 in die DDR. „Aber auch von 1961 bis 1989 gingen noch durchschni­ttlich fast 2000 Menschen im Jahr diesen Weg. Das ist vor der Unumkehrba­rkeit, die diese Entscheidu­ng erst mal mit sich gebracht hat, doch eine beachtlich­e Zahl“, erfuhren die Gäste der Eröffnung von der Kuratorin aus Berlin. Dabei seien insgesamt Übersiedle­r aus politische­r Überzeugun­g aber in der Minderheit gewesen. Migration in die DDR habe überwiegen­d aus privaten und wirtschaft­lichen Motiven stattgefun­den.

Die Ausstellun­g „Wechselsei­tig – Rück- und Zuwanderun­g in die DDR  bis “ist bis zum . Juli zu sehen. Das Museum in Mödlareuth ist dienstags bis sonntags von  bis  Uhr geöffnet

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Mitten durch Mödlareuth zog sich einst die Grenze zwischen beiden deutschen Staaten – heute erinnert dort ein Museum daran. Fotos (): Uwe Lange
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Eva Fuchsloche­r aus Berlin ist eine der beiden Kuratoren der Ausstellun­g.

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