Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Ex-mitspieler Grlic ist sicher: Wagner-abgang keine Trotzreaktion
Frankfurts Boateng setzt auf Lernfähigkeit des Bayern-stürmers – „dann wird er bei der nächsten WM dabei sein“
München. Die Reaktionen auf den Nationalmannschaftsrücktritt von Bayern Münchens Stürmer Sandro Wagner (30) sind heftig. Von einer trotzigen Kurzschluss-handlung ist die Rede, andere vergleichen Wagners Schritt mit dem Verhalten von Kleinkindern, die sich beim Spielen im Sandkasten über das Förmchen des anderen streiten.
Wagner hatte am Tag nach seiner Nicht-nominierung für die WM Kritik am Trainer-team der Nationalmannschaft geäußert: „Für mich ist klar, dass ich mit meiner Art, immer offen, ehrlich und direkt Dinge anzusprechen, anscheinend nicht mit dem Trainer-team zusammenpasse.“ Wagner bekommt nach seiner Spitze gegen Bundestrainer Joachim Löw sowohl Lob als auch Häme ab. In sozialen Netzwerken kursiert ein Bild von einer imaginären Original Wagner Steinofen-pizza mit dem Konterfei des zurückgetretenen Stürmers. Sorte: Beleidigt. Darunter der Zusatz: Ab morgen dann im Handel.
„Die Fehler habe ich auch mal gemacht, dass es nach hinten losgeht, wenn man zu viel redet“, kommentiert Kevin-prince Boateng die Entscheidung. Allerdings gibt der Eintracht-profi, der am Samstag mit Frankfurt im Dfb-pokalfinale auf Wagner und seinen FC Bayern trifft, zu, dass er zwar nicht „weiß, ob das der Grund war, aber manchmal ist weniger mehr. Das hab‘ ich auch gelernt.“Und dann blickt der 31-Jährige mit einem Schmunzeln in die Zukunft: „Er ist noch jung, das kann er auch lernen und bei der nächsten WM wird er dann, denke ich, dabei sein.“Wagner ist bei der WM 2022 in Katar 34 Jahre alt.
Nicht mit Biss, sondern mit Verständnis reagiert Ivica Grlic (42) auf Wagners Reaktion. Der Sportdirektor des MSV Duisburg spielte von 2008 bis 2010 mit dem damaligen Talent Wagner für den MSV in der zweiten Liga. Das Duo stand 28-mal gemeinsam auf dem Platz. Grlic und Wagner pflegen auch heute noch einen guten Kontakt. „Ich glaube nicht, dass Sandros Entscheidung eine Trotzreaktion, sondern wohlüberlegt war. Bei ihm ist nicht plötzlich der Gedanke gereift, keinen Bock mehr auf die Nationalmannschaft zu haben. Er hat das sicherlich genau durchgesprochen, konzentriert sich nun auf seine Familie und den FC Bayern. Ich schätze Sandros ehrliche Art. Als Typ ist er einmalig und verstellt sich nicht. Über seine fußballerischen Qualitäten, die er schon mit Anfang 20 bei uns in Duisburg hatte, muss man gar nicht reden. Werder Bremen hat ihn damals für die Bundesliga verpflichtet, obwohl er einen Kreuzbandriss hatte.“Ex-nationalspieler Grlic (16 Einsätze für Bosnien-herzegowina) bilanziert: „Die WM wäre für Sandro ein Traum gewesen, aber Jogi Löw hat es ja gesagt: Manchmal zerplatzen solche Träume. Das ist auch sein Job als Bundestrainer, dass er genau solche Entscheidungen trifft.“
Was die nackte Torquote angeht, hat Wagner gegenüber Freiburgs Nils Petersen schwächere Argumente. Wagner hat in dieser Saison für Hoffenheim und Bayern zwölf Treffer erzielt. Petersen traf 15-mal für die Breisgauer. Grlic: „Ich finde nicht, dass man die Spieler Einszu-eins vergleichen kann. Letztlich muss Löw das große Ganze sehen.“Und das findet ohne Wagner statt.
Kevin-prince Boateng: Wagner ist noch jung