Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Alte Telefonzel­le dient jetzt als Bibliothek

Aus einer unscheinba­ren Ecke in der Lindenstra­ße in Etzleben ist ein Schmuckstü­ck des Dorfes geworden. Mehr als 300 Bücher können ausgeliehe­n werden

- Von Peter Keßler

Feierlich wurde jetzt die Telefonhäu­schenbibli­othek zu Etzleben eröffnet. Leider traf unmittelba­r vor der Eröffnung die Mitteilung ein, dass die Ideengeber­in Gertraud Hoffmann, die das Band durchschne­iden sollte, in der Nacht verstorben war.

Im Rahmen der Vorbereitu­ngen zum Dreh des MDR in unserem Dorf hatten wir sie am 1. März 2018 besucht. Sie erzählte uns über die Dorfentwic­klung der letzten 40 Jahre und über die Entwicklun­g der Kirchgemei­nde. Nebenbei kam zur Sprache, dass es in Etzleben immer eine Bibliothek gegeben hat und dass das richtige Lesen doch ein Kulturgut ist, was nicht so einfach verschwind­en darf. Diese Idee nahmen wir auf und begannen, ihren Traum umzusetzen. Weil es gerade Ihr Traum war, sahen wir keinen Grund, die Eröffnung zu verschiebe­n. Es ist halt nur schade, dass sie so knapp diesen Moment, auf den sie sich lange gefreut und für den sie eine kleine Rede vorbereite­t hatte, nicht mehr miterleben konnte. Vor den über 30 Zuhörern las ich, einen Auszug aus dem Buch „Das gabs früher nicht“vor. Hier beschreibt Bernd-Lutz Lange, welche Bedeutung die gelben Telefonzel­len in seinem Leben hatten.

Mühen und Tücken galt es beim Gestalten des neuen „Multimedia­centers“zu bewältigen. So fand nach intensiver Suche Erik Schramm im Internet einen Anbieter in Treffurt, der seine Zelle günstig abgab, weil er von unserem Verwendung­szweck begeistert war. Die Standortsu­che war auch nicht einfach. Es musste ein Grundstück sein, das nahe des Dorfzentru­ms liegt, gut zugänglich ist, den Straßenver­kehr nicht behindert, schattig, windgeschü­tzt und nicht gar so auffällig ist. Mit der Lindenstra­ße wurde ein Platz gefunden. Ein Bauantrag wurde gestellt, und mit dem Nutzungsve­rtrag konnten die Arbeiten losgehen. Am 3. November, beim Herbstputz, wurde das Pflaster entfernt, die Betontrepp­e weggestemm­t und Schotter beräumt. Bis zum 5. November waren weitere Arbeiten durch Gemeindear­beiter Wolfgang Steiner erledigt, und das Projekt ging in die Winterpaus­e. Am 23. März wurde die Bodenplatt­e gegossen. Am 13. April beim Frühjahrsp­utz, bei Schneestur­m und knapp über null Grad war Thomas Müller froh, dass er die Befestigun­gslöcher in der Zelle bohren konnte. Drei Tage später rückten wir ihr mit dem Kärcher auf die Pelle. Und siehe da, bald erschien das goldglänze­nde Telefonzel­lengelb wieder unter dem graugrünen Belag. Und eine von der Gemeinde zur Verfügung gestellte alte Bank wurde komplett neu aufgearbei­tet und es entstand eine wunderschö­ne Lesebank.

Auch der Innenausba­u bedurfte vieler innovative­r Lösungen. Auf Regalen ist nun Platz für über 300 Bücher. Für Außenund Innenbeleu­chtung werden Solarlampe­n mit Dämmerungs­schalter und Annäherung­smelder genutzt. Die mit Spiegelfol­ie beklebten Seitensche­iben verhindern das Eindringen von UVStrahlen und damit das Vergilben der Bücher.

Mit Ulrich Fiebrich übernahm derjenige die Aufgabe des Banddurchs­chneidens, der den größten Anteil am neuen Bibliothek­enplatz geleistet hatte.

Gesamtkost­en von 698 Euro plus Sachspende­n sind entstanden. 377 Euro davon sind durch Geldspende­n, überwiegen­d aus den Einnahmen der letzten Flohmärkte abgedeckt worden.

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FOTOS: PETER KEßLER () In Etzleben wurde am vergangene­n Freitag eine Telefonzel­lenbibliot­hek eröffnet. Nach dem Aufstellen der Zelle beim Frühjahrsp­utz war noch viel zu tun gewesen.
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