Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Alte Telefonzelle dient jetzt als Bibliothek
Aus einer unscheinbaren Ecke in der Lindenstraße in Etzleben ist ein Schmuckstück des Dorfes geworden. Mehr als 300 Bücher können ausgeliehen werden
Feierlich wurde jetzt die Telefonhäuschenbibliothek zu Etzleben eröffnet. Leider traf unmittelbar vor der Eröffnung die Mitteilung ein, dass die Ideengeberin Gertraud Hoffmann, die das Band durchschneiden sollte, in der Nacht verstorben war.
Im Rahmen der Vorbereitungen zum Dreh des MDR in unserem Dorf hatten wir sie am 1. März 2018 besucht. Sie erzählte uns über die Dorfentwicklung der letzten 40 Jahre und über die Entwicklung der Kirchgemeinde. Nebenbei kam zur Sprache, dass es in Etzleben immer eine Bibliothek gegeben hat und dass das richtige Lesen doch ein Kulturgut ist, was nicht so einfach verschwinden darf. Diese Idee nahmen wir auf und begannen, ihren Traum umzusetzen. Weil es gerade Ihr Traum war, sahen wir keinen Grund, die Eröffnung zu verschieben. Es ist halt nur schade, dass sie so knapp diesen Moment, auf den sie sich lange gefreut und für den sie eine kleine Rede vorbereitet hatte, nicht mehr miterleben konnte. Vor den über 30 Zuhörern las ich, einen Auszug aus dem Buch „Das gabs früher nicht“vor. Hier beschreibt Bernd-Lutz Lange, welche Bedeutung die gelben Telefonzellen in seinem Leben hatten.
Mühen und Tücken galt es beim Gestalten des neuen „Multimediacenters“zu bewältigen. So fand nach intensiver Suche Erik Schramm im Internet einen Anbieter in Treffurt, der seine Zelle günstig abgab, weil er von unserem Verwendungszweck begeistert war. Die Standortsuche war auch nicht einfach. Es musste ein Grundstück sein, das nahe des Dorfzentrums liegt, gut zugänglich ist, den Straßenverkehr nicht behindert, schattig, windgeschützt und nicht gar so auffällig ist. Mit der Lindenstraße wurde ein Platz gefunden. Ein Bauantrag wurde gestellt, und mit dem Nutzungsvertrag konnten die Arbeiten losgehen. Am 3. November, beim Herbstputz, wurde das Pflaster entfernt, die Betontreppe weggestemmt und Schotter beräumt. Bis zum 5. November waren weitere Arbeiten durch Gemeindearbeiter Wolfgang Steiner erledigt, und das Projekt ging in die Winterpause. Am 23. März wurde die Bodenplatte gegossen. Am 13. April beim Frühjahrsputz, bei Schneesturm und knapp über null Grad war Thomas Müller froh, dass er die Befestigungslöcher in der Zelle bohren konnte. Drei Tage später rückten wir ihr mit dem Kärcher auf die Pelle. Und siehe da, bald erschien das goldglänzende Telefonzellengelb wieder unter dem graugrünen Belag. Und eine von der Gemeinde zur Verfügung gestellte alte Bank wurde komplett neu aufgearbeitet und es entstand eine wunderschöne Lesebank.
Auch der Innenausbau bedurfte vieler innovativer Lösungen. Auf Regalen ist nun Platz für über 300 Bücher. Für Außenund Innenbeleuchtung werden Solarlampen mit Dämmerungsschalter und Annäherungsmelder genutzt. Die mit Spiegelfolie beklebten Seitenscheiben verhindern das Eindringen von UVStrahlen und damit das Vergilben der Bücher.
Mit Ulrich Fiebrich übernahm derjenige die Aufgabe des Banddurchschneidens, der den größten Anteil am neuen Bibliothekenplatz geleistet hatte.
Gesamtkosten von 698 Euro plus Sachspenden sind entstanden. 377 Euro davon sind durch Geldspenden, überwiegend aus den Einnahmen der letzten Flohmärkte abgedeckt worden.