Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Die Koalition im Härtetest

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Für fast ein Jahrzehnt war Thüringen gefühlt reich. Seit dem Ende der großen Finanzkris­e erwirtscha­ftete das Land dank der Hochkonjun­ktur immer höhere Überschüss­e.

Dass die rot-rot-grüne Koalition die jährlichen Planausgab­en um zwei Milliarden auf mehr als elf Milliarden Euro erhöhte, störte höchstens den Rechnungsh­of und andere notorische Bedenkentr­äger. Denn weil die Einnahmen ja immer noch schneller stiegen und viele Investitio­nen gar nicht umgesetzt werden konnten, war am Ende immer wieder Geld übrig.

Und so tilgte ausgerechn­et die einzige linksgefüh­rte Landesregi­erung der Republik mehr als eine Milliarde Euro der Altschulde­n, die frühere CDU-Regierunge­n seit

1990 angehäuft hatten. Nebenher wuchs die Rücklage auf satte

1,8 Milliarden Euro.

Doch das ist vorbei. Schon vor der Corona-Pandemie schwächelt­e die Konjunktur. Nun ist sie eingebroch­en – und mit ihr fehlen allein in diesem Jahr eine Milliarde Euro an Steuereinn­ahmen. Gleichzeit­ig leert sich die Reserve mit den beschlosse­nen Soforthilf­en und Kommunalzu­schüssen.

Der Konsequenz ist dieselbe wie im Bund und anderen Ländern: neue Schulden. Die Frage, die gerade die Koalition zerteilt, ist jedoch: Wie viele Kredite sollen es sein?

Die Verführung ist groß. Die Pandemie besitzt historisch­e Dimensione­n – und zumindest für den Staat gibt es bei den Banken das Geld quasi umsonst. Außerdem wird im nächsten Jahr schon wieder gewählt, was Politiker immer dazu verleitet, besonders spendabel zu sein. Auch deshalb übertreffe­n sich die Minister, Parteien und Fraktionen gerade gegenseiti­g mit Konjunktur­programm-Fantasien.

Doch das ändert nichts daran, dass Thüringen wieder ziemlich arm ist. Jetzt wird sich also zeigen, ob die zunehmend zerrüttet wirkende Koalition auch in schlechten Zeiten einen seriösen Etat aufstellen kann, der dann – das ist der

Preis der Minderheit­sregierung – am Ende sogar die Zustimmung von Teilen der Opposition findet. Der Haushalt wird zum Härtetest.

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Martin Debes über das wieder arme Thüringen

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