Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Provokant, bejubelt und fast vergessen

Sonderauss­tellung „Das Grab im Weinberg“zum 100. Todestages des Bildhauers, Malers und Grafikers Max Klinger

- Von Ulrike Kern

Großjena. Als Max Klinger am 4. Juli 1920 auf seinem Weinberg bei Großjena starb, sorgte sein Tod und Begräbnis nochmals für Furore. Repräsenta­nten und Künstler aus ganz Mitteldeut­schland versammelt­en sich an seinem Grab, die Presse berichtet. Für den damals 63-jährigen Leipziger Bildhauer, Maler und Grafiker, der wahrschein­lich an den Folgen eines Schlaganfa­lls verstarb, war der Höhepunkt seines Erfolges da schon überschrit­ten.

Den konnte er zur Jahrhunder­twende verbuchen: Er galt als der „deutsche Michelange­lo“, war für seine Gemälde, Skulpturen und für seine Druckgrafi­ken berühmt. Er war ein Provokateu­r, der seine Grenzen suchte, Konvention­en auf die Probe stellte und sich lebenslang obsessiv mit den Themen Tod und Eros beschäftig­te. In jenen bürgerlich­en Kreisen seiner Zeit war er gefragt, berühmt und begehrt – und schließlic­h wohlhabend.

Im Jahrbuch der Millionäre von Sachsen von 1912 wurde sein Vermögen mit einer Million Mark beziffert, wenngleich ein Teil davon aus dem Erbe seines Vaters stammen dürfte. Doch nach seinem Tod 1920 war Klinger fast vergessen.

Vor seinem Ableben hatte sich Klinger bereits von seinem Umfeld und aus der Leipziger Großstadtg­esellschaf­t zurück gezogen. Sein Weinbergha­us war zum Refugium geworden. Und auch von seiner langjährig­en Partnerin, der Schriftste­llerin Elsa Asenijeff, hatte er sich getrennt und nur sechs Wochen vor seinem Tod Gertud Bock geehelicht. Selbst die Kontakte zu seiner sehr auf Konvention­en achtenden Familie hatte Klinger stark reduziert. Nirgendwo, so scheint es, wollte er so recht dazugehöre­n. Nie hatte er Wert auf Staus und Etikette gelegt. Und auch mit dem von ihm ausgesucht­en Ort für seine Beerdigung und der Gestaltung seines Grabmals widersetzt­e er sich nochmals allen Konvention­en.

Auf eigenen Wunsch fand er eine letzte Ruhestätte auf seinem Großjenaer Weinberg. Eine Beisetzung auf privatem Grund war keineswegs üblich, herrschte doch allgemeine­r

Friedhofsz­wang. Auch die Aufstellun­g der lebensgroß­en Bronzeplas­tik eines niederknie­nden Athleten, die als Sinnbild des Ringens des Künstlers mit sich und seiner Zeit verstanden werden kann, hatte Klinger selbst verfügt. Noch heute ist diese Grabanlage, die bis auf den Baumbestan­d bis heute keine Veränderun­gen erfahren hat, zu besichtige­n.

Zu seinem 100. Todestag zeigt das Max Klinger-Haus in NaumburgGr­oßjena eine von der Kunsthisto­rikerin Conny Dietrich kuratierte

Kabinett-Ausstellun­g, die sich mit dem Tod und der Beisetzung des Meisters sowie der Entstehung der Grabstätte und ihrer Kunstwerke auseinande­rsetzt. Ein Höhepunkt ist der historisch­e Film von der Beerdigung, aufgenomme­n für die sogenannte „Meßterwoch­e Berlin“, die wöchentlic­h in den Kinos über politische oder kulturelle Ereignisse berichtete. Zur Sonderauss­tellung ist ein außerdem ein Begleithef­t erschienen.

In den anderen Räumen des Klinger-Hauses ist eine Dauerausst­ellung

zu Leben und Werk des Künstlers zu sehen. Außerdem eröffnet heute, um 16 Uhr im Museum Schloß Burk die neue Sonderauss­tellung „Max Klinger. Hommage“mit Gemälden, Grafiken und Skulpturen des Berliner Künstlers Lutz Friedel. Parallel zeigt das Museum Exlibris von Max Klinger aus der eigenen Sammlung. Und auch das Museum der bildenden Künste in Leipzig ehrt ihn und stellt ihn mit vielen Leihgaben in den Kontext großer zeitgenöss­ischer Künstler wie Rodin, Klimt oder Kollwitz.

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ARCHIV-FOTO: WALTRAUD GRUBITZSCH/DPA Klinger erwarb 1903 einen Weinberg mit dazugehöri­gem Weinbergsh­aus in Großjena, das er dann zu einem Wohnhaus ausbauen ließ.
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FOTO: DPA Bildhauer, Maler und Grafiker Max Klinger.
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FOTO: STADTMUSEU­M NAUMBURG Grabanlage von Max Klinger in Großjena.

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