Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Soundtrack der Großstadt
Wenn sich eine Stadt über mediale und sonstige Dauerpräsenz im positiven (Künstler-Mekka) wie im negativen (Flughafen) nicht beschweren kann, dann das dicke B. In den Sommern 2008 und 2009 war das Bundeshauptstadtdorf an der Spree sogar noch präsenter als sonst. Und das lag nicht etwa an der anstehenden Bundestagswahl, sondern an einem zwölf Stücke umfassenden Songreigen: dem ersten und einzigen Album von Peter Fox.
„Stadtaffe“ist mit mehr als einer Million verkaufter Exemplare und 173 Wochen in den Charts eines der erfolgreichsten deutschen Alben. Es ist eigentlich eine Abhandlung über das Leben in Großstädten. Die BerlinFährten sind aber unverkennbar gelegt: Auf dem Cover posiert der Musiker am Kottbusser Tor, die dunkel dröhnende Single „Schwarz zu blau“ist die wohl schönste schreckliche Liebes(v)erklärung an die Stadt.
Und es ist ein Album von einem Berliner, der in einer ziemlich bekannten Berliner Band spielt, die selbst nicht mit Berlin-Bezügen geizt. Seeed heißt das Kollektiv, dem Fox weiter angehört. Von seiner Hausband hat er solo einiges übernommen: die unerhört ins Bein gehenden Beats und die gereimten, halb gesungenen, halb gerappten Texte.
Doch der Ansatz für „Stadtaffe“war ein anderer: weg vom DancehallSound der Band, weg vom Mainstream. Das Experiment ist geglückt. Die Lieder sind geprägt von organischem Schlagwerk, dezentem Backgroundgesang und vor allem von den Arrangements des Babelsberger Filmorchesters. Sie klingen wie eine Reise durch einen Soundtrack. Nur, dass es der Soundtrack des (Großstadt-)Alltags ist. Genau genommen bespielt das Album ein eigenes Genre.
Die Platte verdankt sich zufällig einer Band-Pause. Der überbordende Erfolg dieser ungeplanten, ungewöhnlichen und unwahrscheinlichen Musik kam überraschend. Zwei Jahre dauerte die Tour, eines der dokumentierten Heimspiele in der Wuhlheide ist ein Triumphzug. Doch der Trubel forderte Tribut. Nach turbulenten Monaten im Rampenlicht wollte Peter Fox kein weiteres Solo-Album veröffentlichen. Er hat bis heute Wort gehalten. Es gibt seither nur eine Handvoll Songs, eingestreut über die Jahre.
„Stadtaffe“ist für Berlin, was Grönemeyers „Bochum“-Album für die Stadt im Ruhrpott ist: eine Ode an die Menschen und das Leben an einem Ort, den man seit Kindertagen kennt. Den man liebt, den man hassen darf, ohne den man nicht leben kann. Beide Platten haben das Kunststück vollbracht, im kollektiven Bewusstsein mindestens einer Generation zu sein.