Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
„Außerordentlich schwer“
Finanzministerin Taubert über immer ungemütlicher werdende Haushaltsverhandlungen
Erfurt. Während ihre Kabinettskollegen und die Landtagsfraktionen Konjunkturpakete planen, ist Finanzministerin Heike Taubert (SPD) damit beschäftigt, die Ausgaben des Landes – und damit die Neuverschuldung – irgendwie zu begrenzen. Dies führt zu enormen Konflikten innerhalb der rot-rotgrünen Koalition. Wir sprachen mit ihr darüber.
Frau Taubert, wie laufen die Verhandlungen für den Haushalt 2021?
Die geltende Vorgabe besagt, dass die Ministerien im nächsten Jahr nicht mehr einplanen sollen, als sie im Jahr 2019 netto ausgegeben haben. Die Netto-Ausgaben des vergangenen Jahres sind also der Maßstab, weil einfach nicht mehr Geld da ist. Schon vor der Corona-Krise hatte sich die Konjunktur eingetrübt, jetzt steuern wir geradewegs in eine Rezession. Allein in diesem Jahr wird uns eine Milliarde Euro an Steuereinnahmen fehlen, gleichzeitig haben wir ein riesiges CoronaHilfspaket für Unternehmen, Kommunen und Bürger aufgelegt, weshalb sich gerade unsere Rücklagen leeren. Und für das nächste Jahr sieht es kaum besser aus.
Ihren Kabinettskollegen gefällt das nicht, sie haben deutlich mehr Ausgaben angemeldet. Wie viel mehr? Die Ist-Ausgaben 2019 lagen bei 10,48 Milliarden Euro. Angemeldet sind für 2021 etwa 12,38 Milliarden Euro – also 1,9 Milliarden Euro mehr. Das liegt vor allem daran, dass die Kollegen sich am aktuellen, deutlich üppigeren Haushaltsplan für das Jahr 2020 orientieren.
Aus ihrer Sicht doch verständlich. Nur auf den ersten Blick. Wir tätigen dieses Jahr riesige, teils einmalige Investitionen, das können wir uns nicht dauerhaft leisten. Die Gespräche mit einigen Kabinettskollegen verliefen konstruktiv, mit anderen Kollegen war es hingegen unerfreulich. Es gab sogar einzelne Ministerinnen und Minister, die mitten im Gespräch aufgestanden und gegangen sind. Das macht die Verhandlungen außerordentlich schwer.
2020 war ein Wahljahr-Etat, dem jetzt ein Wahljahr-Etat folgt. Kämpfen Sie nicht auf verlorenen Posten?
Nein, denn ich weiß die Vernunft auf meiner Seite – und hoffentlich den Ministerpräsidenten. Bodo Ramelow hat ja gesagt, dass wir jetzt einen Kassensturz machen und jeden Stein im Etat umdrehen, um die Ausgaben einigermaßen an die Einnahmen anzupassen und eine zu hohe Neuverschuldung zu vermeiden. Bisher gibt es aber dazu noch keine Einsicht: Das betrifft die Kollegen meiner Partei und der Grünen, aber auch die Linke.
Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee – ihr Parteifreund – will sogar einen 1,2-Milliarden-EuroFonds für die Wirtschaft auflegen und dafür die Schuldenbremse in der Landeshaushaltsordnung aufweichen. Wie wollen Sie ihn aufhalten?
Das Kabinett hat sich darauf verständigt, dass wir am 14. Juli alle Diskussionsbeiträge der Ministerinnen und Minister bewerten. Dabei gehen die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen davon aus, dass die Pandemie auch einer Lockerung der Schuldenbremse in der Landeshaushaltsordnung bedarf. Als Finanzministerin sehe ich diese Auffassung äußerst kritisch. Wer Mehrausgaben für notwendig hält, der muss auch Deckungsvorschläge machen.
Aber ist in der Krise Sparen klug? Der Bund legt gerade ein nie dagewesenes Konjunkturpaket auf . . .
. . . auf das wir jetzt nicht unbedingt ein Landespaket packen müssen. Die Investitionen, das zeigen uns die Erfahrungen der vergangenen Wahlperiode, müssen ja erst einmal von unserer Wirtschaft abgearbeitet werden. Wir haben zuletzt von Jahr zu Jahr oft dasselbe Geld verplant, weil es wieder nicht abgerufen wurde. Das war ja neben den steigenden Einnahmen auch der Hauptgrund für die Überschüsse, die dann wieder zu neuen Forderungen führten.
Diesen Kreislauf müssen wir jetzt in der Krise durchbrechen.
Aber warum nicht Schulden aufnehmen, wenn sie das Land praktisch zinslos auf dem Kapitalmarkt bekommt?
Weil die Schuldenbremse des Grundgesetzes und unsere eigenen Landesgesetze dann klare Tilgungspläne vorschreiben. Das heißt, wir fesseln die nächste Landesregierung. Ich habe schon jetzt für 2020 zum Ausgleich der wegfallenden Steuereinnahmen über 800 Millionen Euro an neuen Krediten eingeplant, das wäre die erste Schuldenaufnahme seit dem Jahr 2011. Für 2021 ist derzeit eine Kreditaufnahme von rund 250 Millionen Euro beabsichtigt.
Sie sind seit fünfeinhalb Jahren Finanzministerin. In dieser Zeit sind die Ausgaben um 20 Prozent gestiegen, vor allem die Personalausgaben. Allein die abgeschafften Kindergartenbeiträge kosten 60 Millionen Euro im Jahr. Haben Sie schlecht gewirtschaftet?
Wir haben in der vergangenen Wahlperiode 1,2 Milliarden Euro an Schulden getilgt und hatten Ende 2019 eine Reserve von 1,85 Milliarden Euro aufgebaut. Und wir haben unsere Versprechen umgesetzt, für die wir gewählt wurden. Vergessen Sie auch nicht die höheren Zuschüsse an die Kommunen. Und was das Personal betrifft: Es gibt keinen gesellschaftlichen Konsens im Land, die Zahl von Lehrern und Polizisten zu reduzieren – und dem haben wir Rechnung getragen.