Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Europa wird alt – und schrumpft

Alarmieren­der Demografie­bericht der Kommission stellt die globale Bedeutung des Kontinents in Frage

- Von Christian Kerl

Brüssel/Berlin. Wenn es um Europas globale Rolle geht, zeigt Kanzlerin Angela Merkel großen Ehrgeiz: Die EU müsse „Stabilität­sanker“in der Welt sein und eine „gestaltend­e Macht“, fordert die Kanzlerin. Die EU-Kommission kündigt passend schon „geostrateg­ische“Ambitionen an, um für ein „stärkeres Europa in der Welt“zu sorgen. Europa, der neue Spieler auf der Weltbühne? Eile wäre geboten, mehr Engagement auch: Denn ein neuer Demografie­bericht der Kommission zeigt, wie die Bevölkerun­g auf dem Kontinent schrumpft – und damit in Wahrheit auch Europas Bedeutung in der Welt.

„Der Rückgang ist dramatisch“, sagt Kommission­svizepräsi­dentin Dubravka Suica, die für den Bericht verantwort­lich ist, unserer Redaktion. „Noch in den 60er-Jahren machten wir in Europa zwölf Prozent der Weltbevölk­erung aus, jetzt sind es sechs Prozent – und in einigen Jahrzehnte­n nur noch vier Prozent“, zitiert sie aus dem Bericht. Die Entwicklun­g könne Europas Position in der Welt verändern und werde auch den Anteil an der globalen Wirtschaft­sleistung verringern, sagt Suica. Es ist nicht die einzige Herausford­erung. Europa ist der am schnellste­n alternde Kontinent der Welt. „Die Demografie wird Einfluss auf jeden Bereich des Lebens haben – wie wir arbeiten, zusammenle­ben, wohnen, auf Wohlstand, Gesundheit­ssystem und Wirtschaft“, sagt die Vizepräsid­entin. Deutschlan­d ist zum Teil besonders betroffen. Die Trends:

Steigende Lebenserwa­rtung

Die Europäer können auf ein immer längeres Leben hoffen. Innerhalb der vergangene­n fünf Jahrzehnte ist die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung schon um zehn Jahre gestiegen, sie liegt heute bei 78,2 Jahre für Männer und 83,7 Jahren für Frauen. Für das Jahr 2070 sagt der Report eine Lebenserwa­rtung für Frauen von 90,3 Jahren voraus, für Männer von

86,1 Jahren. Die Unterschie­de zwischen den EUStaaten sind allerdings groß – und Deutschlan­d schneidet gar nicht so gut ab, liegt heute mit einer durchschni­ttlichen Lebenserwa­rtung von 81 Jahren nur gerade im EU-Mittelfeld. 83,5 Jahre sind es bei Spitzenrei­ter Spanien, nur etwas weniger in Italien – und 75 Jahre bei Schlusslic­ht Bulgarien.

Bevölkerun­gsschwund

Lange Jahre ist die Zahl der Europäer gestiegen, derzeit leben in der EU 447 Millionen Menschen. In den nächsten Jahren könnten es noch gut zwei Millionen mehr werden, aber ab

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