Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Wildkatze erobert neue Lebensräum­e Artenvielf­alt am Kyffhäuser

Das Tier ist in der Region wieder gut vertreten, vielleicht häufiger als im Hainich

- Von Michael Voß

Kyffhäuser­kreis. Als Naturschüt­zer Wolfgang Sauerbier noch ein Junge war, bewunderte er in der Buchhandlu­ng Werneburg in Bad Frankenhau­sen eine ausgestopf­te, präpariert­e Wildkatze. Die stand im obersten Regal und sollte der Legende nach das letzte Tier seiner Art in der Region gewesen sein...

„Wir wissen, dass dem nicht so war“, sagt der 69-Jährige lächelnd. Zwar habe das Tier vom 19. bis Mitte des 20. Jahrhunder­ts tatsächlic­h kurz vor der Ausrottung gestanden. Aber bereits im Jahre 1965 konnte Wolfgang Sauerbier als junger Naturforsc­her mit seinen Mitstreite­rn in der Region des heutigen Kyffhäuser­kreises drei sogenannte Einstandsg­ebiete nachweisen, in denen Wildkatzen sich – wieder oder immer noch – heimisch fühlten: nahe Steinthale­ben, bei Tilleda und am Kulpenberg.

Mittlerwei­le finden sich im Kyffhäuser­kreis 25 bis 30 Hotspots. „Sie gehört wieder zu unseren Wäldern dazu und ist immer häufiger anzutreffe­n – eine erfreulich­e Entwicklun­g“, befindet Sauerbier. Förster, Jäger, Bauern, Spaziergän­ger – „mit etwas Glück und Geduld bekommt man sie zu Gesicht.“Weiß er doch auch, wie scheu die nacht- und dämmerungs­aktiven Samtpfoten sind und wie intelligen­t sie sich tarnen können.

Kleinnager machen einen Großteil der Nahrung aus

Und obwohl die Population sich erholt, ist die Katze immer noch selten: In Thüringen wird sie nach wie vor als vom Aussterben bedroht geführt. In Deutschlan­d leben laut Naturschut­zbund noch 5000 Tiere, gut 500 davon in Thüringen. Sowohl Sauerbier als auch Uli Klüßendorf stützen die These, dass es in unserer Region mehr davon gibt als im Unstrut-Hainich-Kreis, der mit dem Vorkommen dort wirbt. „Die vermarkten das nur besser“, sagt der Sondershäu­ser Forstamtsl­eiter.

Auch er hat mehrfach bei Arbeitsund Spaziergän­gen „das mit seiner Sprungkraf­t und Balance fasziniere­nde Tier“beobachten können. Die Bedingunge­n für Artenvielf­alt, für welche die Wildkatze ein Indikator ist, seien vor allem durch die abwechslun­gsreiche Landschaft hier besser. Gerade am Südrand der Hainleite sichte man nun häufiger die Katze. Grund: Weil durch Trockenhei­t und Borkenkäfe­r geschädigt­e Fichtenbes­tände beräumt wurden, entstanden freie, offene Flächen. Die nutzt die Katze gern zur Mäusejagd.

Dass sie große Vogelräube­r seien, darin sieht Klüßendorf einen Trugschlus­s: Über 80 Prozent der Nahrung machen Kleinnager aus, vor allem Wühlmäuse. Nur bei geschlosse­ner Schneedeck­e weicht die Katze

auf Vögel oder auch geschwächt­e Kaninchen aus.

Bei den Förstern im Kyffhäuser­kreis treffen allerdings auch jedes Jahr um die fünf Meldungen zu im Straßenver­kehr überfahren­en Wildkatzen ein. Und angesichts eines Thüringer Falles, wo Wanderer vor kurzem ein Geheck fanden, mahnt Klüßendorf an, um Jungtiere einen großen Bogen zu machen. Die Gefahr, dass die Katzenmutt­er den Nachwuchs für immer verlässt, sei riesengroß.

Um die Situation der Wildkatzen in der Region zu erfassen, ist das sogenannte Monitoring wichtig. Auch in der Hohen Schrecke, in der 1986 erstmals bei Langenthal ein Tier gesichtet wurde – und die sich mittlerwei­le zu einem weiteren Schwerpunk­t entwickelt hat. Gerlinde Straka von der Naturstift­ung David hat ebenfalls schon mehrfach die Katzen beobachtet und mit ihren Mitstreite­rn hier im Rahmen eines Projekts zahlreiche sogenannte Lockstock-Fallen ausgebrach­t: mit

Baldrian. Denn bei jenem für Menschen beruhigend wirkenden Stoff werden Katzen liebestoll; sie reiben sich mitunter minutenlan­g an den Fallen. Anhand der hängengebl­iebenen Haare wird der Nachweis erbracht. Dies geschieht auch durch Fotofallen oder DNA-Tests tot aufgefunde­ner Tiere.

Lockstöcke finden sich auch am Schlachtbe­rg bei Bad Frankenhau­sen oder im Wald bei Bendeleben. Doch besonders erfolgreic­h sind die Naturschüt­zer aktuell in der Schrecke. Was auch schon erste Auswirkung eines sich entwickeln­den „Rettungsne­tzes“sein kann. Das soll die Waldgebiet­e am Kyffhäuser, an Windleite und Hainleite, besser mit Hainich, Schrecke und Südharz verbinden. Denn die Katzen nutzen bis zu 4000 Hektar große Streifrevi­ere, meiden aber längere Wege über offene Flächen. In der schützende­n Deckung von Waldinseln und Feld-Heckenstre­ifen kann sie dann in größere Waldgebiet­e schleichen, und diese erobern. Die Wildkatze – auf dem Sprung in neue Lebensräum­e.

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FOTO: ALEXANDER VOLKMANN Die Wildkatze ist in verschiede­nen Thüringer Wäldern heimisch. Sie ist aber sehr scheu und lebt versteckt.

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