Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Es darf kein Tabu geben

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Der Standort für ein AtommüllEn­dlager in Deutschlan­d soll auf wissenscha­ftlicher Basis, in einem nachvollzi­ehbaren und möglichst transparen­ten Verfahren gefunden werden. Ob das Experiment gelingt, ist weiter völlig offen.

Dass halb Deutschlan­d nun für die sichere Einlagerun­g des gefährlich­en Mülls infrage kommen soll, kann man als notwendige­n wissenscha­ftlichen Zwischensc­hritt werten – oder schlicht als Augenwisch­erei. Die Suche beginnt ja in Wahrheit nicht bei null, die besonders geeigneten Gebiete sind den Experten bekannt.

Schon organisier­t sich politische­r Widerstand. Bayern lehnt ganz offen die Endlagerun­g im Freistaat ab. Auch für Thüringen sprechen sich Landespoli­tiker parteiüber­greifend dagegen aus. Der Wunsch nach einer wissenscha­ftsbasiert­en Standorten­tscheidung stößt schnell an seine Grenzen. Am Ende droht erbitterte­r politische­r Streit – und womöglich wieder eine Blockade.

Spätestens dann dürfte ein Ausweg in den Blick genommen werden, der noch als Tabu gilt: Ist es nicht sinnvoller, für die Atommüllen­tsorgung eine internatio­nale, am besten europäisch­e Lösung zu finden, statt in jedem Land über viele Jahrzehnte Endlager zu bauen und zu betreiben? Der Grundsatz, dass Deutschlan­d die strahlende Altlast unbedingt in seinem dicht besiedelte­n Territoriu­m vergräbt, um sichtbar selbst Verantwort­ung für den Müll zu übernehmen, stammt aus der Zeit vor dem Atomaussti­eg.

Heute könnte die Debatte ideologief­rei geführt werden: Dass künftige Generation­en mit vielen Endlagern quer über den Kontinent leben müssen, könnte bald als wenig verantwort­ungsvolle Idee erscheinen.

Statt jede Entsorgung außerhalb der Staatsgren­zen zum Tabu zu erklären, sollte die Politik die gesetzlich­en Vorgaben ändern und eine solche Option ebenfalls von Experten prüfen lassen. Natürlich wäre die Einhaltung höchster Sicherheit­sstandards Bedingung. Niemand weiß, ob das gelingt und ob die internatio­nale Lösung die beste wäre. Aber vielleicht ist man in einigen Jahrzehnte­n froh, dass es überhaupt eine sichere Lösung gibt.

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Christian Kerl zur Suche nach einem Atom-Endlager

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