Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

„Es wird Zeit für eine unabhängig­e Antidiskri­minierungs­stelle“

Wie will Thüringen Rassismus und Diskrimini­erung begegnen? Während Rot-Rot-Grün und CDU streiten, verlangen Betroffene die überfällig­e Beratung

- Von Gerlinde Sommer

Erfurt. Der Thüringer Landtag hat in der vergangene­n Legislatur Geschichte geschriebe­n mit seiner Enquetekom­mission, die sich mit Rassismus und Diskrimini­erung befasste. Parteiüber­greifend heißt es heute noch bei Rot-Rot-Grün und CDU, dass kein anderer Landtag dergleiche­n bisher zuwege gebracht hat. Das Problem ist nur: Es passiert derzeit kaum Konstrukti­ves auf dem Weg der Umsetzung all der Vorschläge, die im Herbst 2019 gemacht wurden.

Oder anders gesagt: Nach außen dringt vor allem, worin sich RotRot-Grün und CDU uneins sind, wo es im Landtag hakt und wo auch in den Ministerie­n der nötige Antrieb fehlt.

Das war jüngst auch bei einem Podium zu erleben, an dem aus diesen Parteien mit Madeleine Henfling (B90/Grüne), Diana Lehmann (SPD) und Katharina König-Preuss (Linke) sowie Christian Tischner (CDU) einstige Enquetekom­missionsmi­tglieder teilnahmen – und mit Franziska Baum eine jetzige Landtagsab­geordnete der FDP, die von 2014 bis 2019 nicht im Landtag war. Baum zeigte sich generell für den vom Land unterstütz­ten Kampf gegen Rassismus und Diskrimini­erung offen. Die AfD war nicht Teil dieser Veranstalt­ung, da sich deren Vertretung – wie die Abgeordnet­en sagten – bereits bei der KommisParl­ament sionsarbei­t sehr zurückgezo­gen hatte, um es positiv zu formuliere­n.

Mehr als 700 Seiten Bericht und 50 Handlungse­mpfehlunge­n liegen vor. Enttäusche­nd ist die aktuelle Lage für engagierte Menschen wie Josina Monteiro aus Erfurt: „Für uns wurde sichtbar, dass es erhebliche Reibungsve­rluste zwischen den Parteien, aber auch zwischen dem

und den Ministerie­n gibt. Das geht auf Kosten von Menschen, die Rassismus erleben“, sagt sie nach dem Podium, bei dem sie für das Thüringer Antidiskri­minierungs­netzwerk (Thadine) sprach. „Wir erwarten eine konstrukti­ve und zielgerich­tete Zusammenar­beit – und dafür müssen alle etwas tun. Es ist Zeit zum Handeln.“Es werde Zeit, „dass die Regierung ihre Arbeit macht und den Weg für die Einrichtun­g einer unabhängig­en Antidiskri­minierungs­beratungss­telle öffnet, die bereits im vergangene­n Jahr beschlosse­n wurde“, so Monteiro. „Als Netzwerk geht uns so langsam die Geduld aus“, macht sie deutlich. Sie sieht auch CDU und FDP als Opposition im Landtag in der Pflicht: „Wir erwarten, dass sie institutio­nelle und strukturel­le Formen von Rassismus zur Kenntnis nehmen und entspreche­nd handeln“, spielt sie auf die geplante Studie zu Rassismus in der Polizei an. Gerade CDU-seitig herrscht weiterhin die Meinung vor, dass bereits eine Studie selbst einem Generalver­dacht gleichkomm­e, wurde beim Podium durch die Ausführung­en des ehemaligen Enquetekom­missionsvo­rsitzenden Tischner deutlich. An diesem Punkt krachte es im Podium. Katharina KönigPreus­s liefert sich mit ihm eine heftige Auseinande­rsetzung – und musste dann erst mal kurz raus, um sich zu beruhigen. Doch auch Madeleine Henfling spießte den Vorbehalt

von Tischner auf: Es gehe nicht darum, alle Polizisten zu stigmatisi­eren, sondern die Lage generell zu beleuchten. Wichtig sei zudem eine unabhängig­e Vertrauens­stelle bei der Polizei, erklärten Vertreteri­nnen von Rot-Rot-Grün. Tischner will mehr politische Bildung.

Weil derzeit aber vor allem Streit um die Arbeitsauf­träge, die aus der Enquetekom­missionsar­beit resultiere­n, an die Öffentlich­keit gelangt, blickt Monteiro für das Netzwerk Thadine bereits jetzt auf das Frühjahr kommenden Jahres: „Von allen Parteien erwarten wir für die Landtagswa­hl eine verbindlic­he Antwort, wann und wie die Ergebnisse der Enquete praktisch umgesetzt werden sollen.“

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FOTO: P. MICHAELIS Josina Monteiro hofft auf Umsetzung der Enquete-Ergebnisse

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