Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Corona-Ampel für das ganze Land?
Bund und Länder beraten über deutschlandweite Auflagen. Im Mittelpunkt steht ein neuer Vorschlag aus Bayern
Berlin. Alarmismus – das passt nicht zur nüchternen Kanzlerin. Angela Merkel dosiert ihre Sorge mit großer Vorsicht. Das Infektionsgeschehen der letzten Wochen aber hat auch ihr die Ruhe geraubt: Wenn sich die Zahlen wöchentlich so weiterentwickelten wie bisher, werde es zu Weihnachten mehr als 19.000 Neuinfektionen am Tag geben, sagte Merkel am Montag nach Angaben aus Teilnehmerkreisen in einer Videokonferenz der CDU-Spitze. Zahlen, die Frankreich schon fast erreicht hat. Kurz drauf ließ sie ihren Sprecher nachlegen: Die Verdreifachung der Zahlen seit Juni sei höchst riskant – die Entwicklung müsse schnell wieder unter Kontrolle kommen. An diesem Dienstag wollen sich Merkel und die Regierungschefs der Länder zusammenschalten, um Antworten auf das zugespitzte Infektionsgeschehen zu finden.
Kommen jetzt einheitliche CoronaRegeln für alle?
Am Wochenende hatte die Zahl der neu gemeldeten Infektionen mit mehr als 2500 Fällen einen neuen Höchststand in diesem Herbst erreicht. Hauptursache sind laut Robert-Koch-Institut aktuell vor allem Feiern im Freundes- und Familienkreis. Die Regeln dafür sind höchst unübersichtlich. Bislang gilt: Es gibt einen bundesweiten Rahmen, etwa die Regeln für Reiserückkehrer, ansonsten aber entscheidet jedes Bundesland in Eigenregie über MaskenSöder pflicht, Kontaktbeschränkungen oder Obergrenzen für Feiern. In Berlin etwa, wo die Zahl der Neuinfektionen im Zentrum zuletzt erstmals wieder über die kritische Marke von 50 Fällen auf 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen stieg, sind schärfere Kontaktregeln und engere Obergrenzen im Gespräch. In vielen ostdeutschen Bundesländern dagegen gibt es kaum noch Beschränkungen. An diesem Prinzip soll sich auch jetzt nichts ändern: Der regionale Ansatz sei richtig, müsse sich aber „in einem gemeinsam besprochenen Rahmen“
bewegen, erklärte Merkels Sprecher am Montag.
Wird dieser Rahmen neu gefasst? Bayern hat dazu jedenfalls einen Vorschlag gemacht: Notwendig sei ein einheitliches und verbindliches Regelwerk, das in ganz Deutschland gelte, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Bund und Länder müssten den Kommunen Leitlinien an die Hand geben, wie sie beim Überschreiten bestimmter CoronaZahlen reagieren sollen. „Die Kommunen
bitten eindringlich darum, dass es ein einheitliches Regelwerk gibt“, sagte Söder. Kern seines Konzepts ist eine Corona-Warn-Ampel: Diese springe auf Gelb, wenn es in einem Landkreis 35 oder mehr Infizierte auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gebe. Das Land Berlin hat bereits eine Warn-Ampel. Sie springt ab 20 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner auf Gelb, bei 30 auf Rot. Auch das Nachbarland Österreich arbeitet mit einer Corona-Warn-Ampel.
sagte, zur Prävention könne man dann zum Beispiel Tests für Risikogruppen anordnen, Zuschauer bei Sportveranstaltungen wie Bundesligaspielen untersagen und die Maskenpflicht in Schulen auf den Unterricht ab der 5. Klasse ausweiten. Steigt die Zahl auf 50 Infizierte je 100.000 Einwohner, soll bei privaten Veranstaltungen die erlaubte Teilnehmerzahl auf ein Viertel der bis dahin geltenden Zahl reduziert werden. Für öffentliche Plätze, wo Abstände schwer einzuhalten sind, sieht der Vorschlag eine Maskenpflicht vor. Zudem sollen Einschränkungen beim Verkauf von Alkohol sowie frühere Sperrstunden möglich sein. Bereits in den vergangenen Tagen hatten Städte und Landkreise klarere Regeln für eine Ausweitung der Maskenpflicht und engere Obergrenzen für Feiern gefordert.
Wie groß ist die Sorge der Deutschen? Eine Mehrheit teilt die Sorge der Kanzlerin: Nur rund jeder dritte Bundesbürger ist zuversichtlich, dass die Pandemie in Deutschland im Herbst und im Winter unter Kontrolle bleiben wird, wie eine repräsentative Umfrage des OnlineMeinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag unserer Redaktion ergab. Männer sind dabei im Schnitt etwas optimistischer als Frauen, Jüngere deutlich zuversichtlicher als Menschen im mittleren Alter. Mit Blick auf Wählergruppen gibt es die größte Diskrepanz zwischen Grünen- und FDP-Anhängern: Bei den Grünen waren 25,8 Prozent zuversichtlich, bei den Liberalen waren es 49,1 Prozent.