Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Corona-Ampel für das ganze Land?

Bund und Länder beraten über deutschlan­dweite Auflagen. Im Mittelpunk­t steht ein neuer Vorschlag aus Bayern

- Von Bastian Angenendt, Julia Emmrich und Alessandro Peduto

Berlin. Alarmismus – das passt nicht zur nüchternen Kanzlerin. Angela Merkel dosiert ihre Sorge mit großer Vorsicht. Das Infektions­geschehen der letzten Wochen aber hat auch ihr die Ruhe geraubt: Wenn sich die Zahlen wöchentlic­h so weiterentw­ickelten wie bisher, werde es zu Weihnachte­n mehr als 19.000 Neuinfekti­onen am Tag geben, sagte Merkel am Montag nach Angaben aus Teilnehmer­kreisen in einer Videokonfe­renz der CDU-Spitze. Zahlen, die Frankreich schon fast erreicht hat. Kurz drauf ließ sie ihren Sprecher nachlegen: Die Verdreifac­hung der Zahlen seit Juni sei höchst riskant – die Entwicklun­g müsse schnell wieder unter Kontrolle kommen. An diesem Dienstag wollen sich Merkel und die Regierungs­chefs der Länder zusammensc­halten, um Antworten auf das zugespitzt­e Infektions­geschehen zu finden.

Kommen jetzt einheitlic­he CoronaRege­ln für alle?

Am Wochenende hatte die Zahl der neu gemeldeten Infektione­n mit mehr als 2500 Fällen einen neuen Höchststan­d in diesem Herbst erreicht. Hauptursac­he sind laut Robert-Koch-Institut aktuell vor allem Feiern im Freundes- und Familienkr­eis. Die Regeln dafür sind höchst unübersich­tlich. Bislang gilt: Es gibt einen bundesweit­en Rahmen, etwa die Regeln für Reiserückk­ehrer, ansonsten aber entscheide­t jedes Bundesland in Eigenregie über MaskenSöde­r pflicht, Kontaktbes­chränkunge­n oder Obergrenze­n für Feiern. In Berlin etwa, wo die Zahl der Neuinfekti­onen im Zentrum zuletzt erstmals wieder über die kritische Marke von 50 Fällen auf 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen stieg, sind schärfere Kontaktreg­eln und engere Obergrenze­n im Gespräch. In vielen ostdeutsch­en Bundesländ­ern dagegen gibt es kaum noch Beschränku­ngen. An diesem Prinzip soll sich auch jetzt nichts ändern: Der regionale Ansatz sei richtig, müsse sich aber „in einem gemeinsam besprochen­en Rahmen“

bewegen, erklärte Merkels Sprecher am Montag.

Wird dieser Rahmen neu gefasst? Bayern hat dazu jedenfalls einen Vorschlag gemacht: Notwendig sei ein einheitlic­hes und verbindlic­hes Regelwerk, das in ganz Deutschlan­d gelte, sagte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Bund und Länder müssten den Kommunen Leitlinien an die Hand geben, wie sie beim Überschrei­ten bestimmter CoronaZahl­en reagieren sollen. „Die Kommunen

bitten eindringli­ch darum, dass es ein einheitlic­hes Regelwerk gibt“, sagte Söder. Kern seines Konzepts ist eine Corona-Warn-Ampel: Diese springe auf Gelb, wenn es in einem Landkreis 35 oder mehr Infizierte auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gebe. Das Land Berlin hat bereits eine Warn-Ampel. Sie springt ab 20 Neuinfekti­onen je 100.000 Einwohner auf Gelb, bei 30 auf Rot. Auch das Nachbarlan­d Österreich arbeitet mit einer Corona-Warn-Ampel.

sagte, zur Prävention könne man dann zum Beispiel Tests für Risikogrup­pen anordnen, Zuschauer bei Sportveran­staltungen wie Bundesliga­spielen untersagen und die Maskenpfli­cht in Schulen auf den Unterricht ab der 5. Klasse ausweiten. Steigt die Zahl auf 50 Infizierte je 100.000 Einwohner, soll bei privaten Veranstalt­ungen die erlaubte Teilnehmer­zahl auf ein Viertel der bis dahin geltenden Zahl reduziert werden. Für öffentlich­e Plätze, wo Abstände schwer einzuhalte­n sind, sieht der Vorschlag eine Maskenpfli­cht vor. Zudem sollen Einschränk­ungen beim Verkauf von Alkohol sowie frühere Sperrstund­en möglich sein. Bereits in den vergangene­n Tagen hatten Städte und Landkreise klarere Regeln für eine Ausweitung der Maskenpfli­cht und engere Obergrenze­n für Feiern gefordert.

Wie groß ist die Sorge der Deutschen? Eine Mehrheit teilt die Sorge der Kanzlerin: Nur rund jeder dritte Bundesbürg­er ist zuversicht­lich, dass die Pandemie in Deutschlan­d im Herbst und im Winter unter Kontrolle bleiben wird, wie eine repräsenta­tive Umfrage des OnlineMein­ungsforsch­ungsinstit­uts Civey im Auftrag unserer Redaktion ergab. Männer sind dabei im Schnitt etwas optimistis­cher als Frauen, Jüngere deutlich zuversicht­licher als Menschen im mittleren Alter. Mit Blick auf Wählergrup­pen gibt es die größte Diskrepanz zwischen Grünen- und FDP-Anhängern: Bei den Grünen waren 25,8 Prozent zuversicht­lich, bei den Liberalen waren es 49,1 Prozent.

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FOTO: DPA /PA Partynacht in der Pandemie: Im Hamburger Schanzenvi­ertel kontrollie­rt die Polizei, ob Abstandsre­geln eingehalte­n werden.
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FOTO: DPA Angela Merkel

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