Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Und plötzlich ist der Gerichtsvollzieher da
Verbrauchern drohen in der Corona-Krise vermehrt Mahnverfahren. Kommt der gelbe Brief, muss es schnell gehen
Berlin. Kurzarbeit, Jobverlust, Geldknappheit: Infolge der Corona-Krise können viele Haushalte ihre Rechnungen nicht bezahlen. Es folgen Mahnbescheide, Vollstreckungsbescheide – und der Gerichtsvollzieher. Wer das verhindern will, muss handeln, und zwar schnell. Viele wissen nicht: Mit dem gerichtlichen Mahnverfahren haben Rechnungssteller ein Instrument in der Hand, offene Forderungen schnell und einfach durchzusetzen. „Wegen Corona könnten Verbraucher von Zahlungsschwierigkeiten betroffen sein, die bislang keine hatten oder nie mit einem Mahngericht zu tun hatten“, sagt Kathrin Körber von der Verbraucherzentrale (VZ) Niedersachsen.
Die Juristin warnt: „Wer eine Mahnung oder gar einen Mahnbescheid erhält, muss reagieren und darf den Kopf nicht in den Sand stecken. Denn der Gerichtsvollzieher klingelt schneller, als man denkt.“Unternehmen in Finanznot könnten jetzt sogar früher einen Mahnbescheid erwirken als bislang üblich und es nicht bei Mahnungen belassen, heißt es bei der VZ Rheinland-Pfalz.
Was bedeutet Mahnbescheid?
Ein Gläubiger, der Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrags hat, kann beim Mahngericht einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids stellen. Darin gibt er die Höhe der Forderung an und nennt den Grund. Das geht einfach über Vordrucke im Internet, das Gericht prüft den Sachverhalt lediglich forberechtigt und lässt den Bescheid dem Schuldner zustellen – zu erkennen am gelben Briefumschlag.
Welche Folgen hat das?
Ist die Forderung berechtigt, sollte sie beglichen werden. „Da steht der Verbraucher in der Verantwortung. Er muss Verträge erfüllen und die Leistung des Unternehmens bezahlen, sonst könnten ihm etwa der Strom oder der Telefonanschluss gesperrt werden bei Zahlungsverzug“, betont Körber.
Unberechtigten Forderungen sollte jedoch widersprochen werden. Vorsicht: Wer es versäumt hat, schon der Rechnung oder Mahnung zu widersprechen, wird vom Mahnbescheid leicht überrumpelt. „Manche zahlen nur aus Schreck über das Schreiben vom Gericht“, berichtet Roman Schlag von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG-SBV).
Wie kann ich mich wehren?
Jedem sollte klar sein, dass das Gericht den Mahnbescheid erlässt, ohne die Forderung inhaltlich zu prüfen. „Nur die Formalien zur Schlüssigkeit müssen erfüllt sein“, erläutert Marcus Köster, Kreditexperte bei der VZ Nordrhein-Westfalen.
Sein Rat: Die Forderung sollte an sich und ihrer Höhe nach überprüft werden, einschließlich der Nebenforderungen wie Inkassokosten und Verzugszinsen. „Wer unsicher ist, sollte sich von der Verbraucherzentrale oder einem Rechtsanwalt beraten lassen“, so Köster.
Warum ist Eile geboten?
Sobald der Mahnbescheid zugestellt wurde, haben Verbraucherinnen und Verbraucher nur zwei Wochen Zeit für einen Widerspruch beim Gericht. „Darin sollte deutlich gemacht werden, warum man die Forderung nicht begleicht, zum Beispiel weil die Handwerkerleistung mangelhaft war“, empfiehlt Juristin Körber. Erkennt der Kunde die Forderung an, nicht aber in ihrer Höhe, sollte er ebenfalls tätig werden. „Es ist auch ein Teilwiderspruch möglich, etwa weil zu hohe Inkassokosten in Rechnung gestellt wurden, was immer wieder vorkommt“, betont Köster.
Was ist nach den zwei Wochen? Wird dem Bescheid nicht widersprochen und bleibt die Rechnung unbezahlt, stellt das Gericht auf Antrag des Gläubigers einen Vollstreckungsbescheid aus, erneut ohne inhaltliche Prüfung. „Der Vollstreckungsbescheid ist ein Titel, der zur Zwangsvollstreckung berechtigt wie ein Gerichtsurteil“, so Körber.
Gibt es einen Ausweg?
Innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Vollstreckungsbescheids können Verbraucherinnen und Verbraucher noch Einspruch einlegen. Dann geht der Fall an ein Gericht zum normalen Zivilprozess. „Das führt zu höheren Kosten“, betont Körber. Sie hält einen Einspruch deshalb nur für sinnvoll, „wenn die Forderung teilweise unmal oder falsch ist oder etwa bei der falschen Person durchgesetzt werden soll“.
Wann kommt der Gerichtsvollzieher? Mit dem Vollstreckungsbescheid kann der Gläubiger sofort den Gerichtsvollzieher beauftragen. Es erfolgt eine Zwangsvollstreckung, das Geld wird eingetrieben. „Der Titel berechtigt dazu, zum Beispiel Wertgegenstände vom Gerichtsvollzieher pfänden oder eine Gehalts- und Kontopfändung vornehmen zu lassen“, erläutert Köster. Mittels einer Vermögensauskunft erfährt der Gläubiger, ob der Schuldner pfändbares Vermögen hat – etwa ein Auto oder wertvolle Elektronikgeräte.
Wie kann ich dem vorbeugen?
Viele Schuldner neigen dazu, unliebsame Schreiben zur Seite zu legen. „Das ist ein Fehler. Wegen der knappen Fristen beim Mahnverfahren kann der Gerichtsvollzieher schon nach wenigen Wochen nachschauen wollen, ob was zu Hause zu holen ist“, warnt AG-SBV-Experte Schlag. Er rechnet damit, dass zum Beispiel Kurzarbeiter, die mit ihrem normalen Gehalt zurechtkamen, nicht aber mit dem Kurzarbeitergeld, betroffen sein werden.
Wo bekomme ich Hilfe?
Flattern Mahnungen und Mahnbescheide regelmäßig ins Haus, können behördlich anerkannte Schuldnerberatungsstellen helfen. Dazu AG-SBV-Fachmann Schlag: „Es gibt bereits lange Wartelisten. Wer bemerkt, dass das Geld knapp wird, sollte deshalb früh den Kontakt zu einer Schuldnerberatung suchen.“