Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Wer tut sich Schalke an?
Ralf Rangnick hat nach der Beurlaubung von Trainer David Wagner schon abgewunken
Gelsenkirchen. Jochen Schneider ist nicht zu beneiden. Der Sportchef des sportlich und finanziell schwer angeschlagenen FC Schalke 04 hat eine kaum zu lösende Aufgabe bewältigen – sonst dürfte es für den 50Jährigen bald selbst ungemütlich werden: Einen geeigneten und bezahlbaren Trainer zu finden, der am Ende nicht wieder vor diesem Verein, dem schwierigen Umfeld und dem Kader kapituliert. Ralf Rangnick hat als erster namhafter Trainer bereits abgewunken, wobei dessen erneute Verpflichtung nach 2004 und 2011 ohnehin schwer vorstellbar war. „Ich kann mir zurzeit überhaupt nicht vorstellen, ein drittes Mal zu Schalke 04 zu kommen, und schon gar nicht als Trainer, der kurzfristig die Negativ-Serie beenden soll“, sagte Rangnick.
Spätestens da war klar, wie kompliziert Schneiders Aufgabe nun ist. Denn das Ende des erst wie einen Messias gefeierten, zum Schluss aber allein gelassenen David Wagner ist kein Einzelfall auf Schalke. „Ich habe David Wagner auch geschrieben, dass es mir leid tut, dass er es nicht geschafft hat und Schalke ihn geschafft hat – wie so viele andere Trainer vor ihm“, sagte VereinsLegende Olaf Thon.
Wagner, Tedesco, Weinzierl, Breitenreiter, Di Matteo, Keller – nahezu jeder Trainer seit 2012 hatte entweder von Beginn an einen schweren Stand oder erlebte nach vielversprechendem Start einen beispiellosen Absturz. Selbst renommierte
Trainer scheinen sich daher zu fragen, ob sie sich den Job bei der schlechtesten Bundesliga-Elf dieses Jahres überhaupt antun würden.
Rangnick hatte zunächst seine Sympathie für Schalke bekundet und betont: „Ich bin frei.“Dies sei „aber alles andere als eine Bewerbung“gewesen, bekräftigte Rangnick einen Tag später. Die Entscheidung über die Wagner-Nachfolge könnte sich nun hinziehen. „Bei der Entscheidung steht Qualität vor Geschwindigkeit“, sagte Schneider, der selbst in der Kritik steht.
An Wagner trotz der schlechtesten Rückserie der Club-Historie mit 16 sieglosen Spielen festzuhalten und den angeschlagenen Coach nach nur zwei Saisonspielen mit weiteren Niederlagen und 1:11 Toren zu schassen, ließ unangenehme Fragen aufkommen. „Man hätte es natürlich nach der vergangenen Saison machen können. Das nehme ich auf meine Kappe, ohne Wenn und Aber. Ich würde es aber noch einmal so machen“, so Schneider.
Problematisch und abschreckend für Trainer-Kandidaten könnte zudem die Personalpolitik Schalkes und die finanzielle Lage sein. Weil nach zwei Spielzeiten ohne Europacup-Qualifikation und coronabedingt kein Geld für kostspielige Transfers drin war, musste Wagner auf Spieler setzen, die bereits ausgemustert waren. Dass dies nicht funktionieren konnte, schien vorhersehbar. Schneider will nun jemanden finden, der aus dem nicht optimal zusammengestellten Kader mehr herausholt.
Als Favorit gilt derzeit der frühere Augsburger und aktuelle U-20-Nationaltrainer Manuel Baum. Dies dürfte zu dem passen, was Schalke bezahlen kann. Als weitere Kandidaten wurden Dimitrios Grammozis, Sandro Schwarz und Valérien Ismaël gehandelt. dpa