Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Alle Optionen sind offen Wie sich Thüringens Wohnungswirtschaft auf die explodierenden Heizkosten vorbereitet
Werden wir im Winter frieren? Und wenn nicht: Können wir dann kommenden Sommer unsere Energierechnung bezahlen? Zwei einfache Fragen, die sich derzeit nicht ruhigen Gewissens beantworten lassen.
Deshalb lautet die dritte Frage: Wie werden die Menschen reagieren, wenn sich die Situation so richtig zuspitzt, wenn es wirklich kalt werden sollte. Die vergangenen Monate haben gezeigt: Bisherige Gewissheiten gelten nur noch bedingt, häufig überhaupt nicht mehr.
Russland hat die Ukraine angegriffen und führt seither einen erbarmungslosen Eroberungskrieg. Nur wenige konnten sich das vor dem 24. Februar vorstellen. Die russischen Gaslieferungen seien sicher, war eine weitere Gewissheit. Auch das steht inzwischen in Frage.
Viele Wohnungsunternehmen haben mit einer freiwilligen Erhöhung der Vorauszahlungen für Fernwärme und Warmwasser auf die explodierenden Energiepreise reagiert. Ein probates Mittel, bekommen die Mieter so schon einmal ein Gefühl für die Belastungen.
Auch Aufforderungen zum Energiesparen, zum Warten und Einstellen der Heizungstechnik sind sicherlich sinnvoll und werden von den Menschen eher befolgt, wenn sie bei ihren Vorauszahlungen spüren, welche Kosten auf sie zukommen könnten.
Was nicht geht, ist beispielsweise warmes Duschwasser zu rationieren, es sei denn, alle betroffenen Mieter erklären sich einverstanden. Auch die Raumtemperatur darf bisher nicht willkürlich unter 20 Grad abgesenkt werden.
Bisher hierher debattieren wir immer noch Entwicklungen, die beherrschbar erscheinen. Aufgabe des Bundes ist es aber, auf die Ausnahmesituation vorbereitet zu sein.
Die explodierenden Energiepreise werden immer stärker zur Belastung für viele Thüringer. Vor allem bei Mietern steigt die Sorge, wie sie über den Winter kommen sollen.
Am Donnerstag warnten die großen Wohnungsunternehmen vor deutlichen Kostensteigerungen und forderten staatliche Hilfe. „Die Situation ist mehr als dramatisch, und der soziale Frieden in Deutschland ist massiv in Gefahr“, erklärte der Branchenverband GdW.
Das gilt auch für Thüringen. Viele der Mitgliedsunternehmen hätten deshalb im März und April die Vorauszahlungen der Mieter für die Energierechnungen auf freiwilliger Basis erhöht, erklärt Frank Emrich, Direktor des Verbandes der Thüringer Wohnungswirtschaft (VTW). Im Durchschnitt hätten sich die Vorauszahlungen um etwa einen Euro je Quadratmeter erhöht. Mit den Endabrechnungen für 2021 würden derzeit viele Wohnungsunternehmen noch einmal die Vorauszahlungen um einen weiteren Euro je Quadratmeter erhöhen.
Damit sollen die stark gestiegenen Energiepreise für die Mieter abgefedert werden, erklärt der Verbandsdirektor. Etwa 70 Prozent der Mieter hätten dem zugestimmt. Sorgen würden die übrigen 30 Prozent der Mieter bereiten.
Konsequenz der steigenden Energiekosten für die Wohnungsunternehmen sei auch, das diese wegen der steigenden Abschlagszahlungen beispielsweise für Fernwärme und Warmwasser kaum noch Mittel für Investitionen haben, betont Frank Emrich. Mittelfristig besteht die Gefahr, dass einzelne Wohnungsunternehmen in wirtschaftliche Schieflage geraten könnten. Sparmodelle beispielsweise auf Basis der Rationierung von Warmwasser seien nur möglich, wenn alle betroffenen Mieter zustimmen. So hat der deutschlandweit agierende ImOb mobilienkonzern Vonovia angekündigt, in Wohnungen mit Gasheizung nachts die Heiztemperatur auf 17 Grad Celsius zu drosseln.
und wie zum Beispiel die Kommunalen Wohnungsgesellschaft Erfurt mit ihren rund 12.000 Wohnungen zu solchen Mitteln greift, wird derzeit diskutiert. In der Branche seien verschiedene Szenarien im Gespräch, man wäge derzeit die Optionen ab, heißt es bei der Kowo. Die ab Juni erhöhten Abschlagszahlungen reichten lange nicht aus, um die Preisexplosionen zu kompensieren. Sie könnten aber die höhere Nebenkostenabrechnung abfedern, die im kommenden Jahr im Briefkasten steckt.
Auch bei Jenawohnen werden deshalb nächstens die rund 25.000 Mieter über eine Erhöhung der Anschläge informiert, erklärt Sprecher Gunnar Poschmann. Eine Entscheidung über weitere Maßnahmen steht auch dort noch aus. „Die Lage ist ernst.“Man prüfe derzeit, wie auf die Herausforderungen des Herbst angemessen reagiert werden kann. Wichtig seien sozial verträgliche Lösungen.