Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Neonazis tappen in FBI-Falle Wie das Landeskriminalamt Nutzer des Krypto-Providers Anom identifizierte
Allein der Hauptangeklagte im derzeit laufenden Turonen-Prozess in Erfurt betrieb laut Anklage Mobiltelefone der Provider „Sky ECC“und „Anom“. Die Ankläger sprechen von kostenintensiven Kryptohandys. Vermeintlich abhörsichere Mobiltelefone, bei denen das Telefongespräch vor der Übertragung verschlüsselt wird. Oft haben diese Mobilgeräte eine VerschlüsselungsApp und den Not-Knopf, zum Löschen des Speichers. Die Staatsanwaltschaft Gera sieht in dieser Technik ein äußerst konspiratives Vorgehen, um Straftaten zu verschleiern.
Die Anklage gegen drei Frauen und sechs Männer listet in vier Fällen das Einfädeln illegaler Drogendeals durch den Hauptangeklagten per Krypto-Handy beim Provider „Anom“auf. So soll dieser nach erfolgter Bestellung am 30. Januar 2021 ein Kilo Methamphetamin zum Preis von 18.000 Euro, am 1. Februar ein weiteres Kilo Methamphetamin, diesmal für 18.250 Euro und am 6. Februar 2021 zwei Kilo Methamphetamin zum Kilopreis von 18.250 Euro sowie ein Kilo Marihuana für 4300 Euro erworben haben. Die illegalen Drogen sollen dann laut Anklage für rund 146.000 Euro verkauft worden sein.
Hinzu kommen mehr als ein Dutzend weitere Straftaten und illegale Drogengeschäfte, die über den Krypto-Provider „Sky ECC“abgesprochen worden sein sollen. Auch hierbei nennt die Staatsanwaltschaft Beträge bis in den fünfstelligen Bereich, die an die arbeitsteilig gut organisierten Neonazi-Bruderschaften geflossen sein sollen.
Der Krypto-Provider „Anom“ist für die Ermittler etwas Besonderes. Anfang Juni wurde er bei der weltweiten Operation „Trojan Shield“(Trojanischer Schild) mit einem Schlag bekannt. Diese Woche erklärten das Bundeskriminalamt (BKA) und die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main, dass die Bundesrepublik Daten von rund 2700 Nutzern mit Deutschlandbezug von US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden erhalten habe. Denn Anom ist ein Fake-Provider des FBI – eine Falle.
Allein in Thüringen seien im mittleren zweistelligen Bereich AnomNutzer identifiziert und etwa eben so viele Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, sagte eine LKASprecherin dieser Zeitung.
Bundesweit sind es etwa 1000 Nutzer, die bisher bekannt wurden, und mehr als 280 Ermittlungsverfahren, die eingeleitet werden konnten, heißt es in der BKA-Mitteilung.
Mehr als 12.000 vermeintlich abhörsichere Endgeräte sollen durch Undercover-Agenten des FBI weltweit in 90 Ländern unters kriminelle Volk gebracht worden sein. Offenbar war der Bedarf groß. Nachdem das französische Krypto-System „EncroChat“bereits 2020 von Ermittlern geknackt wurde und Sky ECC ab 2021 mitgelesen werden konnte, sahen viele Kriminelle Anom als vermeintlich sichere Alternative an. Die Plattform dafür hatte das FBI bereits 2018 gemeinsam mit der australischen Polizei entwickelt.
Am 12. August wäre Volker Schemmel 80 geworden und mancher, der die Zeiten auf dem Weg zur Einheit und des Landesaufbaus erinnert, hätte Grund gehabt, ihm nicht nur zu gratulieren, sondern auch zu danken. Denn Schemmel war in der Volkskammer 1990 „maßgeblich an der Einführung der Länder beteiligt“und hat zudem als Justizstaatssekretär von 1994 bis 1999 in Thüringen gute Arbeit geleistet. In der Volkskammer wie in der Landesregierung und im Landtag war seine Maxime: „konstruktive Veränderung“. Nun ist der gebürtige Altenburger am 5. Juli gestorben. Die Thüringer SPD verliert damit ein Urgestein.
Schemmel war zu DDR-Zeiten Entwicklungsingenieur im Chemiekombinatsbetrieb Böhlen. Er wollte Veränderung, fand rasch zur SPD, kündigte zum 1. Januar 1990 seinen Posten und widmete sich Umweltfragen. Vom Altenburger SPDKreisverband wurde er für die Volkskammerliste nominiert; und als Mitglied im Ausschuss Verfassungsund Verwaltungsreform hatte er dort „die Freude, die Endfassung des Ländereinführungsgesetzes in der Volkskammer zur endgültigen Abstimmung vorzutragen“, berichtete er vor zwei Jahren in einem Rückblick auf diese prägende Zeit. Das Land wurde umstrukturiert; in dieser Zeit kam Altenburg, das vorher zum Bezirk Leipzig gehörte, zu Thüringen. Ob in der Volkskammer, im Bundestag, auf Landes-, Kreis- oder Stadtebene, vor allem aber als Staatssekretär hat sich für ihn bewährt, dass er „nicht in erster Linie Partei-, sondern Sachpolitik gemacht“habe, sagte Schemmel einmal. 1999 bis 2004 gehörte er dem Landtag an. 2014 meldete er sich deutlich zu Wort: Er warnte vor dem Links-Bündnis.
SPD-Fraktionschef Matthias Hey erklärte anlässlich der Todesnachricht: „Wir trauern um einen ebenso klugen wie herzlichen, humorvollen wie sachorientierten Menschen. Wir trauern um einen Freund.“