Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Christian Lindner hat auf Sylt geheiratet
Das Brautpaar kam in einem dunklen BMW mit abgedunkelten Scheiben. Um 16.05 Uhr am Donnerstagnachmittag wurden Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und seine Partnerin Franca Lehfeldt aus einem nahe gelegenen Luxushotel zur Außenstelle des Standesamts in Keitum chauffiert. Über einen Hintereingang gelangten sie ins Gebäude, ohne dass die davor wartenden Schaulustigen einen Blick auf die beiden hätten erhaschen können.
Am Samstag wollen sich Lindner und Lehfeldt, die als Politik-Reporterin für den Nachrichtensender Welt arbeitet, in einer Kirche das Jawort geben.
Dass sich das Paar vor der Trau- ung den etwa 150 Neugierigen vor dem Standesamt nicht zeigte, sorgte bei einigen für Enttäuschung. „Jetzt haben wir so lange gewartet und ha- ben die beiden noch nicht mal gese- hen“, sagte eine Urlauberin.
Manchmal, besonders nachts, da kreisen die Gedanken. Dann sind es die Bilder vom Krieg in der Ukraine, die Catrin H. nicht loslassen. Aber auch die Folgen des Krieges bereiten ihr Kopfschmerzen und schlaflose Stunden: die ständig wachsenden Kosten für Lebensmittel, der exorbitante Anstieg der Preise für Sprit und Gas. Vor dieser Krise hat sie mit ihrem Mann und drei Söhnen – sechs, acht und neun Jahre alt – den Alltag finanziell ganz gut gewuppt bekommen. Aber jetzt wird es eng.
Ihr Mann arbeitet Vollzeit als Schlosser, macht berufsbegleitend eine Fortbildung zum Techniker. Sie kümmert sich um die Kinder, managt den Alltag, verdient mit einem Minijob dazu, engagiert sich ehrenamtlich als Elternsprecherin einer diakonischen Kita in Bremerhaven. Die Familie gehört zur Mittelschicht, irgendeine Form von ergänzender Sozialhilfe bekommt sie nicht. „Durch die wahnsinnig gestiegenen Lebenshaltungskosten fehlen uns jetzt 300 bis 500 Euro“, rechnet Catrin H. vor.
Catrin H. geht nur noch streng nach Liste einkaufen. Vorratskäufe sind nicht mehr drin. Sie achtet ganz besonders auf Sonderangebote, macht jetzt viele Leckereien selbst. Das fehlende Geld bedeutet auch weniger Sozialkontakte. „Wir können einfach nicht immer mithalten, der Freundeskreis ist kleiner geworden“, erzählt Catrin H.
Die Inflation und die steigenden Lebenshaltungskosten treiben eine Entwicklung an, die schon seit einigen Jahren zu sehen ist: Die Mittelschicht in Deutschland schrumpft, ihr Armutsrisiko wächst. Zwischen 2014 und 2017 rutschte in Deutschland laut einer Studie von Bertelsmann-Stiftung und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) jeder Fünfte aus der mittleren in die untere Einkommensschicht. Das bedeutet laut Studie, dass das verfügbare Einkommen auf weniger als 75 Prozent der rechnerischen Mitte aller Einkommen in Deutschland gesunken ist. Im Jahr 2018 waren das für eine Familie mit zwei Kindern weniger als 3000 Euro.
Diejenigen aus dem Mittelstand, die finanzielle Probleme bekommen, sind laut Schuldnerberatungen noch nicht sichtbar. „Das erreicht uns zeitverzögert, aber wir sind in Habachtstellung“, sagt Roman Schlag von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände. Wenn sich die Situation verschärfe, versuchten viele, das zunächst selbst hinzukriegen. Zudem sei der Besuch einer Schuldnerberatung schambehaftet. „Aber die Krise wird sich verschärfen – bis hinein in besserverdienende Bevölkerungsschichten.“